Mit einer Plastiktüte die Geburtshilfe revolutionieren. Darauf muss man auch erst einmal kommen. Die besten Ideen sind oft diejenigen, die mehr oder weniger vom Zufall inspiriert wurden. Beispiele gibt es genug: Viagra? Ein „Abfallprodukt“ bei der Suche nach einem Medikament für Herzkrankheiten. Mikrowellenherd? Einem Wissenschaftler schmolz bei der Arbeit mit Mikrowellen ein Schokoriegel in der Hosentasche. Penicillin? Alexander Fleming ließ über die Sommerferien eine mit Bakterien besiedelte Nährplatte verschimmeln. Kaffee? … muss auch Zufall gewesen sein. Wir können uns allerdings nicht vorstellen, welche Verkettung von Umständen dazu führt, dass man Früchte sammelt, ihre Samen trocknet, reinigt, röstet, mahlt und mit kochendem Wasser aufbrüht.
Über eine ähnlich überraschende Idee berichtet Spiegel Online: Ein argentinischer Automechaniker namens Jorge Odón hat eine völlig neue Methode erfunden, die bei Geburtskomplikationen helfen kann. Sein Verfahren bzw. das „Gerät“ ist noch dazu sehr günstig – es handelt sich nämlich im Prinzip um eine Plastiktüte.
Die Idee dazu kam Odón, nachdem er ein Video angesehen hatte, in dem ein in eine Weinflasche gedrückter Korken mithilfe einer Plastiktüte wieder herausgeholt wird – ohne Schäden an Korken oder Flasche.
Wie bekomme ich einen Korken aus einer Flasche? Die Probleme der Geburtshilfe sind oft ähnlicher Natur
Das Prinzip setzte Odón spontan für seine Geburtshilfetüte um. Die ersten Versuche soll er mit einer Puppe seiner Tochter, einem großen Glas und einem von seiner Frau genähten Stoffbeutel durchgeführt haben.
Odón hatte aber nicht nur eine gute Idee, er hatte auch das Glück, seine Erfindung Dr. Mario Merialdi vorstellen zu können. Merialdi ist bei der Weltgesundheitsorganisation WHO für die Verbesserung der Gesundheitsfürsorge bei Müttern und Kindern zuständig. So wurde die Gesundheitsorganisation auf diese einfache, sichere und kostengünstige Hilfe bei Geburten aufmerksam.
Jedes Jahr werden nach Angaben der WHO weltweit etwa 137 Millionen Kinder geboren. Bei rund 10 Prozent davon kommt es zu Komplikationen, wenn beispielsweise der Kopf des Kindes zu groß für den Geburtskanal ist, oder wenn die Wehen aufhören. In Industrieländern ist das wegen der guten medizinischen Infrastruktur ein kleineres Problem, das meist mit einem Kaiserschnitt gelöst werden kann. In Entwicklungsländern jedoch haben die Frauen oft keinen Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern. Hier kann die „Tüte“ von Jorge Odón den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
Das „Odón Device“ kann auch von unerfahrenen Geburtshelfern vergleichsweise sicher angewendet werden. Das ist ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Methoden wie Geburtszange oder Saugglocke, die zu Verletzungen bei Mutter und Kind führen können. Die WHO hat deswegen vor, die Erfindung, sobald sie in Serie geht, in den Ländern einzusetzen, in denen die Müttersterblichkeit am höchsten ist, wie sie auf ihrer Webseite bekannt gab.
Eine Präsentation der Vorrichtung gibt es ebenfalls auf Youtube. Und das sieht in der Tat im Vergleich zu einer Zangengeburt sehr simpel aus: