Lieber Titus,
Du klingst so gar nicht wie ein Mann. Dich hätte ich gerne in echt kennengelernt

Folgendes ist mir zu Deiner Antwort noch eingefallen:
Auch bei mir ist es so, dass ich hinterher noch auf ein gesundes Kind hoffen werde. Aktuell sage ich, dass ich mir keine weitere Behandlung vorstellen kann, aber wer weiß, wie es dann ist. Ich habe meinem Mann gesagt, dass ich es aktuell so sehe, später aber vielleicht anders. Das ist offen und da kann ich mich gerade auch nicht festlegen. Bei uns ist es auch so, dass er der "Verursacher" ist, aber ich die Behandlungen über mich "ergehen lassen" muss.
Wieviel Deiner Antwort liegt auch an eine Verantwortungs- oder Schuldgefühl für diese Konstellation?
Insgesamt klingt es so, als hättest Du schon abgeschlossen. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, womit:
Du hast auf jeden Fall abgeschlossen mit der Frage nach weiteren Behandlungen.
Aber hast Du damit gleichzeitig mit Deiner Beziehung abgeschlossen?
Ein "Ich kann es mir auch ohne Kinder vorstellen" seitens Deiner Frau kann nur gut gehen, wenn es eben nicht so ist, wie Du beschreibt. Wenn sie also nicht denkt: der wird seine Meinung schon noch in meine Richtung ändern. Aber wie soll Deine Frau zwischen Pest und Cholera wählen? Und vor allem in dem Tempo, in dem Du es konntest? Sie hängt Dir zeitlich hinterher.
Wie wäre es anders herum?
Mein Mann hatte Phasen, in denen er mir gesagt hat, dass ich ihn nur um seines Sperma willens haben wolle. Es hat sich viel nur noch darum gedreht: Was tut er mir an mit seiner Unfruchtbarkeit, warum tut er nicht alles mögliche dagegen (Vitamine, Kühlen, anders leben...), ohne ihn wäre ich schon Mutter etc. etc. Es waren Gefühle von Enttäuschung, Verzweiflung, Wut und Unverständnis. Nur manchmal kam auch die Trauer über unser Schicksal durch.
Was bei ihm nicht ankam, vielleicht weil ich es auch selbst nicht so wußte: ich wollte ein Kind mit ihm, weil ich ihm auch so nahe sein wollte. Ich wollte, dass es einen Menschen gibt, der so ist wie ich und er, ein Mensch, der aus uns entsteht. Das ist eigentlich ein unheimlicher Liebesbeweis, der aber im Kinderwunsch durch die Trennung von Sex, Zärtlichkeit und Schwangerschaft in den Hintergrund rückte. In den Vordergrund dagegen drängte sich Medizinisches, "rumfuhrwerken wie in einem Auto", Termine, ins Becherchen machen müssen, alles möglich messen, hoffen und enttäuscht werden. Das alles habe ich mit dem Begriff "Eigendynamik" beschrieben, weil es wirklich schwer ist, innezuhalten und sich zu fragen: mache ich das ganze, weil es möglich ist, das zu machen oder tue ich es, weil ich es noch will und dahinter stehe. Mache ich es, damit ich über die Diagnose siege oder weil ich mir von Herzen ein Kind mit diesem Mann wünsche. Ich war oft weg von letzterem, wenn ich ehrlich bin.
Ich weiß nicht, ob Deine Frau sich Zeit genommen hat, diese Fragen zu stellen und ob sie den Mut hat, sie ehrlich zu beantworten. Für mich war das schwer, weil der Schmerz über all das, auch über mich selbst und meine Unzulänglichkeiten, zu groß, zu unaushaltbar erschien. Ich hatte nicht die Kraft ihn zuzulassen, aus Angst, er würde mich innerlich umbringen.
Berührt hat mich da ein Buch "Ungestillte Sehnsucht". In der Beschreibung der vielfältigen Motive für ein Kind und vor allem in der Beschreibung der unerklärlichen, drängenden Sehnsucht der Autorin habe ich mich gut wiedergefunden.
So viele Menschen kommen durch ihr Leben, ohne je an diese Punkte zu stoßen. Es kann aber auch eine Chance sein, so konfrontiert zu werden. Vielleicht mehr im Rückblick, als in der Vorausschau. Meine Mutter sagt immer (frei nach der Bibel): wer viel kann, dem wird viel zugemutet

Ich wünsche mir für Deine Frau, dass Du ihr Zeit gibst, denn Du bist viel weiter als sie. Und dass sie den Mut hat, sich so mit sich selbst zu beschäftigen, wie Du es tust. Das kann nicht jeder, das ist eine große Gabe. Ich wünsche ihr, dass sie Klarheit findet.
Ich wünsche mir für Dich, dass Du weiter weise Entscheidungen triffst und Dich hinterfragst, wie Du es schon tust.
Ich wünsche mir für Euch beide, dass ihr gute Möglichkeiten findet, mit Eurer Situation umzugehen. Dass ihr rauskommt aus dieser Mühle, um alles nochmals anders zu betrachten und neue Wege zu gehen. Für uns waren die Behandlungen nach der Trennung von außen gesehen "schwerer" als vorher (ICSI statt
IUI). Aber uns ging es "besser" damit, also vorher, weil wir den Schritt heraus gewagt hatten und bewußt und anders wieder hinein gegangen sind, wenngleich die Gefahr groß war, wieder in den alt-bekannten teuflischen "Behandlungs-Kreislauf" zu rutschen. Die Behandlung, die zur aktuellen Schwangerschaft geführt hat, war die, von der ich selbst gesagt habe: Dieses eine Mal noch und dann nie wieder. Ich selbst war endlich an einen Punkt gekommen, an dem das Erleben des Schlimmen die Hoffnung auf das Glück übertraf. Mein Mann hätte sich vor dieser letzten Behandlung schon dringlich eine Ende oder zumindest eine Pause gewünscht.
Ach, es täte mir schwer leid, wenn ein Ende das letzte Wort für Euch wäre!
Lieber Titus,
ich denk an Euch!
Babette