Es gibt echte Notfälle. Es gibt Drückerbanden. Es gibt Alkoholiker. Es gibt Leute, die so ihren "Lebensunterhalt" verdienen ... und gar nicht schlecht.
Das Problem: unterscheiden zu können, was wirklich los ist!
Das geht z.B. so:
Essen und Kaffee anbieten (wir haben die Möglichkeit, ggf. IM Haus, aber außerhalb der WOHNUNG zu "bewirten") - wenn sie das nicht wollen, kann der Hunger schon mal nicht allzu groß sein.
Allgemein - wenn Gründe angegeben werden fürs Geld sammeln, nach Möglichkeit genau DIESE (auch angeblich) versuchen zu erfüllen. Beispiele aus unserer Sammlung:
- sie wollen eine Fahrkarte kaufen nach XY - sich anschicken, mit ihm zum Bahnhof zu gehen (klappt leider nur noch bei nicht hier ansässigen - Bahnhof ist schon lange zu...)
- sie sind krank - Krankenhaus anrufen und nach einem Bett fragen
- das Auto steht ein paar Straßen weiter, sie sind leider ausgerechnet hier gestrandet auf dem Weg zwischen Rom und Moskau ... mein Mann war mal Kfz-Mechaniker, "ich komm mit und seh mir das mal an"
- Sie brauchen eine neue Jacke - Moment, wir haben immer was zu liegen...
- er hat sich ausgesperrt und braucht Geld für den Schlüsseldienst - "ich kenn den Mann, kommen Sie mit"
In der Regel ist dann sehr schnell klar, daß es nur vorgeschobene Gründe waren.
Es gibt "echte" Tippelbrüder, zum Teil kommen sie nun schon jahrelang bei uns im Pfarrhaus vorbei, mit DENEN hab ich auch kein Problem. Von Frühjahr bis Herbst wollen die WIRKLICH nur ein, zwei belegte Brote und nen Kaffee, z.T. haben sie auch ne Thermosflasche dabei, die kriegen sie auch voll, gern auch noch Obst dazu. Wenn es gut läuft, schwatzen wir noch ein wenig im Garten ... und die Lebensgeschichten sind dann schon oft so, daß man denkt, so viel gehört gar nicht dazu, daß man auf solch einem Weg landet...
Die, die wir nun schon kennen, dürfen auch mal in der Gästewohnung duschen und manchmal können wir wirklich auch mit Kleidung aushelfen - frische Unterwäsche allemal. Im Winter schläft auch hin und wieder mal einer hier in der Gästewohnung ... ich gebe zu, da hab ich schon mal ne wache Nacht. Einer unserer "Stammgäste" haut alle Jahre wieder mal aus einer psychatrischen Einrichtung ab und war bisher immer friedlich und ließ sich dann brav wieder "rückführen"...
Dann gibt es noch die ortsansässigen "Problemfälle" - die Sozialarbeiter sind drastisch ausgedünnt, die örtliche Kleider- und Möbelkammer geschlossen worden. Sie kommen eben einfach nicht klar mit ihrem Leben ... WO sollen sie hin??? Wir haben jetzt etliche "an der Backe", wo es Kontakte zu den Betreuern (viel zu wenige für viel zu viel "arme Seelen"!) gibt und wo wir dann etwas mehr über die wirklichen Hintergründe wissen - bzw. wir vermitteln die Leute an solche Betreuer, an Sucht- und Schuldnerberatungsstellen.
Es gibt viel Not, und viel zu wenig offizielle Hilfe, jedenfalls hier in unserem Flächenland Brandenburg. Im Zweifel ist niemand zuständig - Polizei erst, wenn etwas Ernsthaftes passiert ist (also einer schon das halbe Haus demoliert hat - einmal haben Jugendliche Zweige direkt an die Holz-Haustür gelegt und angezündet, ein Passant hat glücklicherweise rechtzeitig geklingelt, ein Klo ist direkt neben der Tür, schnell nen Eimer Wasser - Anzeige nicht möglich! selbst eine völlig abgebrannte Tür hätte nicht gereicht! erst, wenn das Haus als solches angefangen hätte zu brennen! ... zu einer anderen Zeit hätten sie es vielleicht geschafft, wir wohnen in einer kl. Nebenstraße....); Krankenhaus/Krankenwagen: nur, wenn wirklich schon DELIRIUM vorliegt, schwer angetrunken reicht selten (evtl. kriegt man ihn noch in die Ausnüchterungszelle, aber da es HIER keine gibt, auch eher selten); in der einzigen Obdachlosenunterkunft weit und breit geht fast nie einer ans Telefon - fährt man mit dem "Kunden" hin (manchmal Auto hinterher reif für die Reinigung), ist grad zu/überfüllt oder keiner da, der zuständig wäre...
Ja, wir sind ein Pfarrhaus. Aber das heißt in unserem Fall, der Pfarrer und seine Familie sind PERSÖNLICH zuständig, aus der Gemeinde gibt es da keinerlei Unterstützung. Also nur, weil mein Mann "zufällig" diesen Beruf hat, sind wir trotzdem auch nur ganz normale Menschen mit ganz normalen Möglichkeiten und ganz normalen Kräften - also wurmt es mich oft genug gewaltig, daß wir am liebsten alles aufsammeln sollen, was durch die Ritzen der Gesellschaft fällt, aus welchen Gründen auch immer.
Ich bin nicht bereit, Drückerkolonnen und Betrüger zu unterstützen - aber bei sorgfältigem Sieben bleibt genug Not übrig (das sind allerdings auch nicht unbedingt die, die von Haus zu Haus gehen - aber rmitunter eben auch). Und ich kann nur alle bitten, die Augen aufzuhalten und ein wenig auch die Hand ... am besten, BEVOR solche Karrieren starten. Aber auch die, die dort nunmal gelandet sind, brauchen Hilfe.
Sorry, das ist nun WIRKLICH lang geworden ... aber das ist ein Thema, was mir oft genug auf den Nägeln brennt.
Mori