Liebe Aquarium,
unsere Geschichten sind nicht die selben, aber ich kann mir sehr gut vorstellen welchen Schmerz und welches Trauma das für dich bedeutet.
Mir selbst fällt es schwer über meine Erlebnisse zu schreiben, aber ich möchte deinen Beitrag nicht unkommentiert lassen, weil es mich auch sehr mitnimmt.
Unsere Zwillingssöhne sind 2015 zu früh geboren und gestorben. Somit war die Schwangerschaft mit unserer Erdentochter oft sehr belastet, ich musste operiert werden, lag irgendwann stationär mit Wehenhemmer und Lungenreife und rieseger Angst um unser Baby.
Ich habe deine Beiträge verfolgt und mit dir mitgelitten und mich gefreut, dass letzlich alles gut gegangen ist und ihr euer Wunder im Arm halten dürft.
Ich kann dieses Gefühl um eine sorglose, normale Schwangerschaft betrogen worden zu sein, sehr gut nachvollziehen. Es ist so unwiederbringlich.
Auch die Geburt unsere Tochter war sehr dramatisch. Auch sie hätten wir um haaresbreite verloren und um mich selbst stand es zeitweise auch nicht gut.
Aufgrund vorzeitiger Plazentalösung war auch ein Not-KS erforderlich. Wie die Oberärztin am nächsten Morgen mitteilte, wohl Rettung für beide in letzter Sekunde.
Um meine Gebärmutter musste wohl auch gekämpft werden. Da hatte ich aber Glück und sie konnte erhalten werden.
Dennoch wird unsere Tochter Einzelkind bleiben, da ich bei bei beiden Geburten eine vorzeitige Plazentalösung hatte. Irgendetwas stimmt da bei mir nicht. Wir werden dieses Risiko nicht mehr eingehen.
Und so stand ich dann im Januar 2017 mit diesem Wunder im Arm, aber es kam und kam keine Freude auf. Ganz zu Schweigen vom Genießen der Zeit. Ich spürte anfangs lediglich Erleichterung. Erleichtert darüber, nicht mehr um das Leben unserer Tochter kämpfen zu müssen. Aber mit riesiger Überforderung und großem Trauma. Hinzu kamen noch große Verlustängste. Zusätzlich auch noch der Druck und das schlechte Gewissen, es doch endlich zu genießen und glücklich zu sein.
Aber das passiert leider nicht auf Knopfdruck.
Letztlich "hilft" einem die Zeit. Irgendwann kommt Glück und das Genießen auf. Und irgendwann ist man doch wieder in einem Loch. Man empfindet alles als unfair, man möchte auch so sorglos, fröhlich und glücklich sein, wie andere. Das ist das Päckchen, welches man dann mit sich trägt.
Für mich war es auch wichtig, dass mal so sagen zu dürfen: ich und mein Kind sind fast gestorben, es ist verdammt nochmal nicht alles gut!
Meine Hebamme sagte immer: viel Kuscheln, das hilft beiden das Trauma zu verarbeiten. Und letztlich hat das bei uns unsere Tochter übernommen: Sie hat unheimlich viel Körperkontakt "gefordert". Sie hat die ersten 6 Monate nur auf mir gewohnt, Tag und Nacht.
Es war sehr anstrengend, aber rückblickend kann ich sagen, dass diese viele Nähe, das viele Kuscheln und Zusammensein mit meinem Baby Balsam für meine Seele war.
Aber ich bin ehrlich: ich hadere immer noch sehr damit, die Anfangszeit nicht genossen zu haben.
Aber laut meiner Psychologin sind das auch zu hohe Erwartungen, die ich da an mich habe. Mit dem was man durchgemacht hat, kann man eben nicht mehr sorgenfrei genießen.
Also rate ich dir: viel viel Kuscheln mit dem Kleinen.Wir hatten damals das Bonding auch nochmal "nachgeholt": Baby nach dem Bad auf die nackte Brust, mit Decken und Handtücher eingekuschelt.
Und viel reden. Mit deinem Mann, deiner Hebamme, und vielleicht auch mit einem Psychologen. Es ist ein Trauma, was verarbeitet werden muss.
Es tut mir unendlich Leid, dass du das so erleben musstest.
Liebe Grüße
Kirschblüte
1 mal bearbeitet. Zuletzt am 25.10.18 14:42 von Kirschblüte89.