Hallo Little Dancer,
ich möchte, völlig unabhängig von den Aussagen der Freundin, die mgl.weise auch aus Betroffenheit und Sorge um Dich (und nicht aus einer Schuldfrage heraus) Dir Dein Verhalten gespiegelt hat, eine etwas andere Perspektive einwerfen.
Wenn ich die letzten Threads richtig verstanden habe, dann hat Dein Sohn ein Autismus-Spektrum-Störung, am ehesten einen Asperger-Autismus, richtig? Wenn dem so ist, würde ich ganz unbedingt sowohl mir als auch Anderen gegenüber diese Bezeichnung der Störung so verwenden. Ein Autist (also wirklich der frühkindliche Autismus nach Kanner) ist landläufig, in der Bevölkerung, ein wirkliche "andere Hausnummer". In unserem bisherigen Diagnosesystem unterscheidet man ja noch, im neuen tut man das nicht mehr, da die Abgrenzung schwierig erscheint. Aber das Bild in den Köpfen wird noch lange bleiben.
Der Asperger-Autismus (manchmal auch high functional autismus) ist ein ganze Ecke milder, Du siehts ja selbst, was Dein Sohn alles kann und bewältigt. Es ist sicher eine Behinderung, eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, aber keine in dem Sinne so schwere Behinderung wie eben der frühkindliche Autismus nach K..
Warum ich das differenziere? Nicht, um Dir/Deinem Sohn etwas "weg zunehmen" (ich finde es sehr gut für Euch, dass Du den Weg der Diagnostik gegangen bist), sondern um für Dich evtl. Deine Rücksicht gut auszubalancieren bzw. zu schauen, inwieweit Du den Jungen fördern und fordern kannst.
Wurdest/wirst Du gut beraten im Umgang mit ihm? Ist er in einer Art Psycho/Gruppentherapie/Verhaltenstherapie, um ihn in der Entwicklung eines "normalen" Verhaltens zu unterstützen?
Ich bin kein Experte bei diesem Störungsspektrum. Ich habe seit einigen Wochen eine Mitte 40jährige in Behandlung, die überhaupt das erste Mal in einer psychiatr. Behandlung ist und bei der ich/wir einen Asperger-Autismus diagnostiziere. Wir stellen sie zwar in einer Hochschulambulanz vor, aber bei einer Wartezeit von 1 Jahr....braucht es jetzt Rat und Tat.
Diese Patientin, aus der ehemaligen Sowjetunion, hat dort x Schulwechsel, Militär, Studium, Promotion, dann hier allein 2 Kinder großgezogen (Sohn studiert), 2 Ehen gescheitert, ganz klar und nicht anders zu erwarten, Arbeit im Schichtsystem (unter ihrer Qualifikation) an einem Einzelarbeitsplatz bewältigt, ohne große Unterstützung. Sie fährt Auto und managet grad riesige Probleme. Sie ist in ihrer Kommunikation total auffällig, sie kommt seit 8 Wochen jeden Tag in exakt der gleichen Kleidung, exakt gleich. Sie muss sie tgl. waschen, da sie immer sauber ist und nicht riecht. Die Mitpatienten haben sie sehr gut akzeptiert. Die Gespräche mit ihr sind tw. sehr anstrengend, aber auch erfrischend, wir lachen viel und wir mögen uns, ich gebe ihr Fachliteratur über ihr Störungsbild zu lesen, aber im sozialen Kompetenztraining fühlt sie sich tw. wie von einem anderen Stern. Sie bietet Symptome wie aus dem Lehrbuch, unglaublich. Und trotz ihres schweren Päckchens fordern wir sie. Sie versteht zwar nicht, wieso man xy machen sollte, wir erklären es und fordern es ein. Sie muss mit den anderen Apteinten essen, sie muss auch in der Morgenrunde ihr Tagesziel benennen, es klappt auch. denn: was ist das Ziel? Will sie wieder/besser zurecht kommen in unserem System, in ihrer Arbeit (die sie ganz dringend braucht, weil sie sich über Leistung definiert, Emotionen sind ihr fremd, darüber spricht man nicht), muss sie sich ein Stück weit anpassen.
Anderenfalls fährt man die Schiene: 2. Arbeitsmarkt. Wir beantragen zwar den Grad der Behinderung und stellen sie beim Integrationsfachdienst vor, aber auf dem 1. Arbeitsmarkt will, soll und muss sie bleiben.
Was ich sagen will: Schau, lass Dich beraten, was Du von Deinem Jungen fordern kannst. Wenn es das ist, was Du gerade machst, dann belass es dabei. Wenn Du mehr versuchen kannst, dann probier es und geh ggf wieder einen Schritt zurück.
Eltern kranker Kinder laufen oft Gefahr, diese zu sehr in Watte zu packen und sich (oder auch andere) zu vergessen. Fördern und Fordern sollte das Leitmotiv sein.
Kannst Du mit dem Jungen besprechen, wieso er so rasch vom Tisch aufsteht? Dass ihr gern länger mit ihm sitzen wollt? Was ihm dabei helfen würde, dies zu tun? Dass er xy Minuten sitzen soll?
Wie könnte er länger im Schwimmbad bleiben? Welche Bedingungen sollten da herrschen? Abseits liegen?
Ich weiß nicht, ob und wie weit Ihr den Alltag nach dem Jungen ausrichtet. Natürlich müsst Ihr klar kommen und Kompromisse finden.
Letztlich hast Du für 2 Kinder Verantwortung, auch die Tochter sollte später nicht sagen müssen: die Schwimmbadbesuche wurden nach dem Bruder ausgerichtet usw.
Bist du in einer Gruppe oder evtl. Selbsthilfegruppe für Eltern mit Autismus-Spektrum-Störungs-Kindern? Zum Austausch?
Ich finde als Literatur, so Du nicht schon überfrachtet bist, diese ganz gut:
Der T.v. Elst: "Autismus und ADHS" ist in Freiburg, dort hat es auch eine Hochschulambulanz für Erwachsene.
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www.amazon.de]örungen-Erwachsenen-Basiswissen-Andreas-Riedel/dp/3884146297/ref=sr_1_19?ie=UTF8&qid=1533071044&sr=8-19&keywords=asperger
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www.schulpsychologie-sg.ch]
hier geht es um die VT bei frühkindlichem Autismus
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www.zeit.de]
Viele Grüße!