Hallo,
ich bin selber Psychotherapeutin und füge einfach mal ein paar meiner Meinung nach wichtige Infos ein, die helfen können den / die richtige/n Behandler zu finden.
Zunächst mal gibt es mehrere Berufsgruppen, die Hilfe anbieten.
Psychologische Psychotherapeuten: geschützter Titel, das sind Therapeuten mit Psychologiestudium und 3-5 jähriger Weiterbildung in einem anerkannten therapeutischen Verfahren.
Ärztliche Psychotherapeuten: Therapeuten mit Medizinstudium plus verkürzte Weiterbildung in einem anerkannten therapeutischen Verfahren
Psychiater: Fachärzte, die in der Regel nur Kurzgespräche anbieten und keine Therapie und vorwiegend mit Medikamenten behandeln, es sei denn sie sind auch ärztliche Psychotherapeuten
Heilpraktiker für Psychotherapie: Menschen, die vollkommen unterschiedlich vorgebildet sein können und als Mindeststandard lediglich einen Hauptschulabschluss vorweisen müssen und eine kleine Prüfung bestehen müssen. Hier ist gesunde Vorsicht angebracht, es gibt viele unseriöse Angebote, aber sicher auch gut geschulte Leute. Heilpraktiker dürfen nicht mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen.
Psychologen (Dipl.-Psych. oder M. Sc.): Menschen mit Psychologiestudium ohne spezielle Vertiefung in einem Therapieverfahren, sicherlich aber mit Grundwissen über die Behandlung psychischer Leiden. Diese dürfen nur beratende Leistungen anbieten und nicht therapeutisch tätig werden. Das nennt sich dann Beratung oder Coaching.
Dann gibt es verschiedene psychotherapeutische Verfahren, von denen nur 3 die Krankenkassen auf Antrag durch den behandelnden Psychotherapeuten bezahlen:
Verhaltenstherapie: Ein eher lösungsorientiert, alltagsnah und praktisch orientiertes Therapieverfahren, was davon ausgeht, dass problematische Denk- und Verhaltensmuster erlernt sind und ebenso mit Unterstützung wieder verlernt werden können. Es wird mit Gesprächen, aber auch vielen praktischen Übungen gearbeitet und es geht natürlich auch stark um den Umgang mit Gefühlen und deren "Verarbeitung". Wird von der Krankenkasse bezahlt.
Tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie: Im Vergleich zur Verhaltenstherapie ein eher "aufdeckendes" Verfahren, bei dem viel nach Ursachen geforscht wird und die eigene Biografie, sowie unbewusste Prozesse eine deutlich größere Rolle spielen. Wird von den Krankenkassen bezahlt.
Analytische Psychotherapie: Das ist das, was das Stereotyp eines Therapeuten ausmacht. Patient auf der Couch. Auch eher Richtung Tiefenpsychologie ausgerichtet, es geht sehr viel um unbewusste Prozesse, Widerstände etc. und dauert in der Regel sehr lange. Wird von den Krankenkassen bezahlt.
Alle anderen Verfahren (Systemische Therapie, Psychodrama, Gestalttherapie u.v.m. werden nicht bezahlt!). Vorsicht ist geboten bei so genannten Familienaufstellungen. Diese werden häufig von unseriösen Anbietern geleitet. Familienaufstellungen (wenn professionell durchgeführt) können aber auch in der psychotherapeutischen Arbeit in den anerkannten Verfahren genutzt werden.
Wie finde ich den geeigneten Therapeuten für mich?
1) Im deutschen Gesundheitssystem wird ohne Diagnose nicht behandelt, d.h. Anspruch auf Psychotherapie über die Krankenkasse hat nur, wer eine behandlungsbedürftige Diagnose erfüllt. Im Kontext der KiWu-Problematik würden darunter depressive Reaktionen, Ängste, komplizierte Trauerreaktionen, Traumata und Schwierigkeiten mit der Lebenssituation ("Anpassungsstörung") fallen.
2) Bei der kassenrztlichen Vereinung und unter therapie.de findet man geeignete Therapeuten und kann nach Ort, Verfahren und Anliegen filtern. Grundsätzlich sollten jedoch fast alle Psychotherapeuten jemandem mit unerfüllten KiWu Empathie entgegen bringen können, eine Spezialisierung darauf ist oft nicht notwendig. Wichtiger ist, dass es menschlich passt.
3) Hat man einen Therapeuten gefunden, kontaktiert man diesen in seiner Sprechzeit oder (besser) per Email unter Schilderung (kurz!) des Anliegens und der Dringlichkeit. Leider sind die Wartezeiten aus politischen Gründen extrem lang (oft 3-6 Monate). Seit einiger Zeit muss man zunächst bei irgendeinem Psychotherapeuten (das muss nicht der sein, bei dem man dann bleibt) eine Sprechstunde besuchen, in der abgeklärt wird, ob die Voraussetzungen für Psychotherapie erfüllt sind. Der die Sprechstd durchführende Therapeut gibt einem dann ein Formular, auf dem steht ob dem so ist und was er empiehlt und auch ob er ggf. selber behandeln kann. Dann landet man auf der Warteliste in der Regel, sofern keine Akuttherapie verordnet wird. Es empfiehlt sich, sich bei mehreren Psychotherapeuten auf die Warteliste setzen zu lassen, bitte nur absagen, wenn man den Platz nicht mehr benötigt.
4) Eine Psychotherapie startet immer mit 4 Probesitzungen ("Probatorik"), in der man sich kennenlernen kann und entscheiden kann, ob "es passt". Erst danach stellt der Therapeut den Antrag auf Kurzzeit- oder Langzeittherapie bei der Krankenkasse. Diese selber erhält jedoch aus Schweigepflichtsgründen lediglich die verschlüsselte Diagnose. Alle sensiblen Infos bekommt nur ein unabhängiger Gutachter, der den Antrag prüft.
5) Psychopharmaka allein sind nach wissenschaftlichem Stand zur Behandlung "einfacher" psychischer Erkrankungen (dazu zählen Depressionen, Ängste etc., "schwer" wären Schizophrenie, Psychosen etc. im Vergleich dazu) nicht ausreichend. Diese sollten immer mit Psychotherapie kombiniert werden, dann ist der Erfolg am größten. Leichte Depressionen oder Ängste lassen sich auch komplett ohne Medikamente behandeln, wenn man dies nicht möchte.
6) In akuten Krisen kann man sich immer an jedes Krankenhaus mit psychiatrischer Abteilung wenden (und die halten niemanden dort fest, der freiwillig kommt!), Institutsambulanzen bieten auch kurzfristig Krisengespräche an und es gibt die kostenlose Telefonseelsorge, bei der Fachleute anonym und kostenlos am Telefon Beratung anbieten (einfach Telefonseelsorge googlen).
Ich hoffe das hilft dem ein oder anderen etwas weiter!