Hallo zusammen,
ich habe selbst immer gerne Geburtsberichte hier gelesen, da ja im Normalfall alle ein positives Ende haben. Jeder Schwangeren ist klar, dass immer etwas schief gehen kann. Ich bin seit gefühlt 100 Jahren Krankenschwester und natürlich habe ich leider schon oft negative Beispiele erlebt. Nach 11 Jahren KiWu endlich durch
IVF schwanger, konnte ich anfänglich nicht daran glauben, dass alles gut verläuft. Meine Schwangerschaft war aber sehr schön und völlig komplikationslos - bis zum Ende.
Zwei Tage vor dem eigentlichen ET wachte ich morgens auf und merkte sofort: da läuft was... schnell auf Toilette, blutig - hm ok, ich hab ja nicht so die Ahnung, wie es wohl sein sollte, wenn die Fruchtblase geplatzt ist. Also zackig Mann geweckt, unter die Dusche und dann festgestellt, dass da nichts mehr läuft. Also etwas zackiger ins Krankenhaus. CTG unauffällig, keine Wehen, bei der vaginalen Untersuchung konnte dann das Gefäß am Gebärmutterhals ausgemacht werden, das wohl geblutet hatte. Ich wurde stationär aufgenommen. Es ging mir sehr gut und auch meinem Mini schien es gut zu gehen. Ganz entgegen meiner ursprünglichen Einstellung, wollte immer in ein Klinikum mit Kinderarzt vor Ort, war ich nun in "meinem" Krankenhaus, ohne Kinderärzte. Meinen Kollegen vertraue ich natürlich...Am nächsten Morgen war noch immer alles bestens. Wir begannen mit der Einleitung, die eh für diesen Tag geplant war, da ich einen fraglichen Schwangerschaftsdiabetes hatte und mein Sohn recht groß geschätzt wurde. Die Plazenta war auch zu diesem Zeitpunkt noch kaum verkalkt und daher erwarteten die Ärzte evtl. noch ordentliches Wachstum des kleinen Mannes. Ich bekam also ein Bändchen mit Prostaglandinen eingelegt und dann gings ans Laufen.
Um dies abzukürzen: Bis zum Abend MuMu bei 3 cm, alles ohne Wehen - ich flachse noch rum von wegen "ohne Wehen bis 10cm und dann 2 Presswehen bis Kind da und ich bekomme noch 10". Ich besuchte meine Kollegen im Aufwachraum, immer wieder betonte ich, dass ich alles mitmache, mein Horror aber wäre eine Sectio in Vollnarkose, wenn ich den ersten Schrei meines Kindes nicht hören könnte. Viel zu oft habe ich das auf der anderen Seite schon erlebt (ich bin Anästhesieschwester) und es tut mir immer so leid für die Eltern, denn ich empfinde diesen Moment immer als besonders schön und wichtig.
20 Uhr: ich sitze noch bei meinen Kollegen im Aufwachraum, soll 21 Uhr wieder zum CTG, da habe ich wieder dieses Gefühl, dass da "etwas" aus mir läuft. Ich verabschiede mich, gehe in mein Zimmer, mein Mann wartet schon auf mich. Auf der Toilette sehe ich: wieder Blut. Auf in den Kreißsaal, die Hebamme möchte einmal tasten. Ich sehe ihren Handschuh und dass es mehr braun als rot ist. Beruhigt beschließen wir abzuwarten.
21 Uhr: Ich wackel wieder in den Kreißsaal zum geplanten CTG, ich blute noch, aber mäßig. Die Hebamme telefoniert gerade, also setze ich meinen Mann ab und gehe noch kurz zur Toilette. Da komme ich aber nicht mehr so leicht weg. Es blutet mehr, tropft fast dauernd... Die Hebamme wirkt etwas verunsichert und ruft den diensthabenden Gynäkologen. Natürlich kenne ich auch diesen, gebe zu ich bin nicht sein größter Fan, aber er reagiert sofort. Im US sieht alles gut aus. Kind bewegt sich, Plazenta sieht gut aus, keine Besonderheiten. Er möchte aber nochmal vaginal schauen - klar, man ist es ja langsam gewohnt.
Die Verunsicherung wird größer, denn er kann nichts sehen - zu viel Blut. Langsam macht sich auch in mir ein ungutes Gefühl breit. Körperlich habe ich keinerlei Beschwerden, ich spüre den Kleinen gut, was geschieht da nur. Nochmal US - die Verunsicherung wird immer klarer. Ich werde ans CTG angeschlossen. Die Frequenz meines Sohnes hält sich bei 170 bzw. sogar höher... Ich weiß was das bedeutet - er hat Stress - muss raus. Der Oberarzt ist kurz angebunden "das Kind hat Stress, wir machen eine Sectio - JETZT in Vollnarkose"
Wie in Trance greife ich zum Telefon, das neben mir steht und rufe meinen Kollegen an. Ich weiss, dass eine der fähigsten Anästhesistinnen die ich kenne, mit der ich zufällig auch befreundet bin, auf der Intensiv Dienst hat. Ich "befehle" meinem Kollegen mit ihr zusammen schnellstens in den Kreißsaal zu kommen. Er hört, dass ich weine. 2 Minuten später stehen sie in OP-Kleidung vor mir. Ich werde im Eiltempo für den OP vorbereitet. Davon weiß ich kaum noch etwas. Das alles geschah einfach mit mir... Ich habe mich auf meine Anästhesie-Kollegen verlassen. Ich bekam tatsächlich eine Spinale, innerhalb von 2 Minuten mit allem Drum und Dran - eigentlich unmöglich, aber ich wußte SIE kann das. Ich spürte wie meine Beine taub wurden, wurde hingelegt. Dann ging alles unfassbar schnell. Sie deckten mich ab, ich spürte das aber alles noch und mein Mann war auch noch nicht da. Auf einmal schnitt der Oberarzt einfach los. Ich mußte schreien, ich konnte nicht anders. Es tat noch so sehr weh, die Spinale wirkte noch nicht so weit oben.
Die Erklärung dafür bekam ich hinterher von meiner Kollegin der OP-Pflege: als sie mich hinlegten, lief fast ein Liter Blut aus mir heraus und sie konnten nicht mehr warten, sonst wäre mein Kind wohl verblutet, denn die Plazenta hatte sich zu diesem Zeitpunkt komplett gelöst.
So furchtbar es klingt, dass ich die Schnitte spürte, so kann ich sagen, dass es "einfach" nur Schmerz war. Es fühlte sich nicht an, wie aufgeschnitten werden, es war einfach Schmerz. Und jetzt weiß ich genau, das war es wert. Punkt 22 Uhr holten sie meinen kleinen J. aus meinem Bauch und er schrie direkt. Mein größtes Glück war, dass ich dies hören durfte. Leider verschwanden immer mehr Kollegen um sich um meinen Sohn zu kümmern, keiner sagte mir was los ist. Ich sah wie blass er war, als sie ihn mir kurz zeigten. Ich wurde hysterisch, dafür schäme ich mich heute noch, aber es ging doch um MEIN Baby...
Letztendlich hatte er "nur" eine kleine Anpassungsstörung und brauchte ein wenig Sauerstoff über die Maske. Das habe ich selbst schon unzählige Male mitgemacht, aber eben nicht mit dem eigenen Kind. Meine Spinale wirkte schon direkt nachdem er da war und sie versorgten alles schnellstens, damit ich noch zu meinem Kind konnte. Mir war klar, dass er nun in das nächstgelegene KH verlegt wurde, in dem eine Kinderklinik ist.
Ich durfte aber bei der Versorgung noch zusehen, durfte sehen wie wach er schon war und dass er etwa 15 Minuten nachdem er auf der Welt war schon keinen zusätzlichen Sauerstoff mehr brauchte. Ich durfte sehen, wie unfassbar hübsch und perfekt er vom ersten Moment an war... Ich durfte ihn noch in den Armen halten, bevor er verlegt wurde. Ich war so dankbar für die Spinale, auch wenn dies wahnsinnige Schmerzen bedeutete. Aber ich glaube eine Spontangeburt ist auch nicht gerade schmerzarm
Den Rest kürze ich nun ab: Ich wurde am nächsten Tag, nachdem ich erneut meine Beziehungen spielen lassen musste, zu ihm ins KH verlegt und einen Tag später wurde er als kerngesund, aber mit etwas zu niedrigem Hämoglobinwert, von der Säuglingsintensiv entlassen.
Am Donnerstag den 09.08. wurden wir beide schon entlassen.
Ich hatte nun sehr lange zu kämpfen, es ging mir psychisch am Anfang extrem schlecht. Das Erlebnis war schrecklich, ich hatte mir soooo sehr eine "normale" Geburt gewünscht. Und doch muß ich einfach sagen: es lief perfekt !
Man bedenke: 21 Uhr begann ich erst deutlicher zu bluten und 22 Uhr war er da. Alle haben genau untersucht, um einen unnötigen Kaiserschnitt zu vermeiden und als klar war, dass es nicht gut aussieht, wurde sofort eine Not-Sectio durchgeführt. Dass dies in Spinal-Narkose geschah, war MEINE alleinige Schuld und ich bin doch froh, dass es möglich war - mir ist bewußt, dass es nur aufgrund meiner Beziehungen so lief und natürlich, weil meine Freundin diese Spinale in Rekordzeit setzte.
Ich brauchte die Zeit bis jetzt, um dies zu verarbeiten. Ich gestehe auch, dass ich die ersten Wochen mit Baby emotional und körperlich überfordert war, manchmal fühle ich mich auch jetzt noch so... Meine Freundin erklärte dies so simpel und so logisch:
In 11 Jahren Kinderwunsch habe ich absolut alles verdrängt, was mit Babies und Kleinkindern zu tun hat. Habe mich auch in der Schwangerschaft nicht getraut darüber nachzudenken, da ich immer nur Angst hatte, es würde mir noch genommen werden.
Nun kann ich sagen, ich bin am Ziel. Mein Weg was den Kinderwunsch angeht ist hier zuende. Immer wollte ich 3 Kinder, jetzt mit 39 Jahren bin ich unsagbar glücklich mit meinem starken und mich endlos liebenden Mann und unserem kleinen Kämpfer, der sich prächtig entwickelt. Wir sind komplett. Ich danke Euch fürs Lesen, auch dieser Bericht hat ein positives Ende

Uns geht es gut und wir genießen unser Leben als kleine Familie !
Ich wünsche allen Mädels schöne und komplikationslose Schwangerschaften und Geburten ! Genießt jeden Moment !
Ganz liebe Grüße bm