AMH sagt einem, wann die Wechseljahre eintreten? Quatsch!

Die biologische Uhr tickt oft langsamer als der AMH-Wert anzeigt.


Das Anti-Müller-Hormon zeigt die Aktivität der Eierstöcke an. Jedoch wird vom AMH auch oft angenommen, es sage die Wechseljahre voraus. Das stimmt so wohl nicht. Niedrige AMH-Werte sind nicht gleichbedeutend mit der nahenden Menopause.

Im Prinzip muss man nach einer solchen Überschrift nicht mehr weiterlesen, denn alles, was zum Thema AMH und Wechseljahre zu sagen ist, steht – zugegebenermaßen ein wenig pointiert – bereits dort. Wir wissen inzwischen ja bereits Einiges über das sogenannte Anti-Müller-Hormon (AMH) als Parameter zur Einschätzung der Aktivität der Eierstöcke. Unseren ersten Artikel hier zu diesem Thema veröffentlichten wir bereits 2005. Damals gab es eine ziemliche Hype um diesen Wert, obwohl der Kenntnisstand vorsichtig formuliert eher diffus war.

AMH ist hilfreich bei der Planung einer Stimulation

In der Zwischenzeit zeigten weitere Studien dann doch eine weniger klare Aussagekraft des AMH auf. Hatte man eine Weile angenommen, der AMH-Wert ließe eine gute Prognose der Eizellreifung und der zu wählenden Dosis der Eierstöcke zu, dann hatte man bei normalen mit gelegentlichen Überraschungen zu rechnen, aber eher selten.

Problematisch waren und sind die Werte außerhalb des Normalbereichs oder an dessen Rändern. Bei sehr hohen Werten des AMH, die ein hohes Risiko für ein Überstimulationssyndrom vermuten lassen, kommt es nicht selten zu einer unerwartet verhaltenen Reaktion der Eierstöcke. Das gleiche gilt auch für niedrige AMH-Werte, die ein schlechtes Ansprechen auf Hormone erwarten lassen: In eher seltenen Fällen reagieren hier die Eierstöcke besser auf eine Stimulation als man es alleine aufgrund der AMH-Werte erwartet hätte. In jedem Falle tut man gut daran, auch weitere Parameter zu bestimmen. Als einer der wichtigsten Parameter ist dabei die Zahl kleiner Eibläschen zum Beginn des Zyklus zu nennen, der sogenannte „antral follicle count“ (AFC).

Antralfollikel in einem Ovar (hier PCO-Syndrom)
Antralfollikel in einem Ovar (hier PCO-Syndrom)

Meine persönliche Erfahrung ist, dass bei Werten unter 1,0 ng/ml der AMH-Wert nur noch eingeschränkt hilfreich ist und der AFC signifikant an Bedeutung gewinnt, da die individuelle Bandbreite unterhalb dieses Grenzwertes sehr groß ist.

AMH: Es kann nur immer schlimmer werden?

So hilfreich der AMH-Wert auch ist, so verunsichernd ist er leider auch. Anfänglich häuften sich Fragen in unserem Forum, in denen ein Wert (meist natürlich eher niedrig) angegeben wurde und davon ausgegangen wurde, dass dieser Wert nur noch sinken könne, bis dann in naher Zukunft die Wechseljahre eintreten. Dieses Horrorszenario kann so erfreulicherweise nicht aufrecht erhalten werden. Das AMH schwankt wie andere Hormone auch.

Es ist zwar im Wesentlichen zyklusunabhängig, aber Schwankungen in einer Bandbreite von +/- 1,0 sind durchaus nicht selten. Der Wert steigt also auch durchaus wieder an. Es ist also mitnichten so, dass man bei einem AMH von 0,5 ng/ml nur damit rechnen kann, innerhalb der nächsten Jahre in die Wechseljahre zu kommen.

Das scheint sich jedoch noch nicht herumgesprochen zu haben. Vor dem Hintergrund der drohenden Wechseljahre wird auch jungen Frauen mit einem niedrigen AMH-Wert oft zu einer IVF geraten, da man ja nicht weiß, wie viel Zeit einem noch bleibt. Auch wird gelegentlich auf eine möglicherweise schlechte Eizellqualität verwiesen, die mit dem niedrigen AMH-Wert einhergehe. Was nicht stimmt. Junge Frauen mit einem niedrigen AMH-Wert haben ebenso gute Eizellen wie andere Frauen ihres Alters, nur weniger.

Niedriger AMH: Wie viel Zeit bleibt noch?

Das hängt vom Alter der Frau ab und etwas überspitzt: Eigentlich hängt es nur vom Alter der Frau ab. Und mit dieser Erkenntnis sind wir dann auch schon wieder da, wo wir vor der Entdeckung des AMH-Wertes waren. Nicht neu ist die Erkenntnis, dass die Menopause (also die komplette Einstellung der Funktion der Eierstöcke) erst eintritt, wenn das Anti-Müller-Hormon schon mehrere Jahre nicht mehr im Blut der betreffenden Frau nachweisbar war.

Nun ist es sicherlich nicht so, dass frau wirklich bis zum letzten Eisprung reelle Chancen auf eine Schwangerschaft hat. Aber je jünger sie ist, desto wahrscheinlicher ist vermutlich auch dies (s. o.).

Beobachtung des AMH über 14 Jahre

Eine Studie, auf die sich diese Aussage stützt1)Freeman EW1, Sammel MD, Lin H, Gracia CR
Anti-mullerian hormone as a predictor of time to menopause in late reproductive age women.
J Clin Endocrinol Metab. 2012 May;97(5):1673-80. doi: 10.1210/jc.2011-3032. Epub 2012 Feb 29.
, untersuchte 401 Frauen über einen Zeitraum von 14 Jahren. Alle hatten zu Beginn regelmäßige Zyklen und waren im Durchschnitt über 41 Jahre alt (35-48). Im Beobachtungszeitraum von 14 Jahren sanken bei fast Dreiviertel der Frauen die AMH-werte unter die Nachweisgrenze (< 0,2 ng/ml) und knapp die Hälfte kamen innerhalb der 14 Jahre in die Menopause.

Ohne jetzt die Zahlen der Studie zu sehr auseinanderzudröseln (hier das Original) war die Kernaussage der Untersuchung folgende: Sank der AMH-Wert unter die Nachweisgrenze, traten die Wechseljahre (besser eigentlich: Die Menopause, also die letzte reguläre Blutung) ca. 6 Jahre später ein.

Eine Aussage, die man ja eigentlich schon mal so stehen lassen kann, denn sie sollte bereits ausreichend zur Beruhigung beitragen können. Aber für jüngere Frauen kommt es sogar noch besser: Bei den Frauen über 45 Jahren trat die letzte Blutung im Schnitt 6 Jahre nach dem Zeitpunkt ein, an dem das Anti-Müller-Hormon im Blut nicht mehr nachweisbar war. Bei Frauen zwischen 35 und 39 Jahren war dieser Zeitraum deutlich länger und betrug 10 Jahre.

Lag der AMH-Wert zwischen 0,7 und 1,5 ng/ml, dann trat die Menopause im Schnitt nach 13 Jahren ein, wenn die Frauen jünger als 40 Jahre alt waren.

Eine weitere Studie mit einer weniger langen Beobachtungszeit kam zu ähnlichen Ergebnissen2)Depmann M, Eijkemans MJ, Broer SL, Scheffer GJ, van Rooij IA, Laven JS, Broekmans FJ
Does anti-Müllerian hormone predict menopause in the general population? Results of a prospective ongoing cohort study.
Hum Reprod. 2016 Jul;31(7):1579-87
. Der AMH-Wert war auch hier nicht in der Lage, den Zeitpunkt der Menopause auch nur annähernd vorherzusagen.

Übersichtsstudie zum AMH und Eintritt der Menopause

Nun wird der Zusammenhang zwischen der Höhe des AMH-Werts und dem Eintritt der Menopause schon seit längerem untersucht. Und immer, wenn etwas länger Gegenstand wissenschaftlicher Studien ist, erstellt jemand eine Zusammenfassung der Studienergebnisse. Und eine solche wurde nun veröffentlicht3)Nelson, S. M., Davis, S. R., Kalantaridou, S., Lumsden, M. A., Panay, N., & Anderson, R. A. (2023). Anti-Müllerian hormone for the diagnosis and prediction of menopause: a systematic review. Human Reproduction Update.. In 27 Studien und bei 23.835 Frauen wurde der Zusammenhang  zwischen dem Eintritt der Wechseljahre (oder besser: Menopause) und dem AMH-Wert untersucht.

Grundsätzlich bestätigt diese Übersichtsarbeit bereits das oben Erwähnte: Bei älteren Frauen funktioniert die Vorhersage recht gut. Je kürzer der Zeitraum bis zur altersbedingten Menopause ist, desto zuverlässiger ist die Vorhersage.

Junge Frauen mit niedrigem AMH: Was kann man daraus schließen?

Auch diese zusammenfassende Übersichtsstudie zeigt, dass bei jüngeren Frauen der AMH-Wert eine Vorhersage der Wechseljahre und schließlich der Menopause nicht zulässt. Bei AMH-Werten unterhalb der Nachweisgrenze und Blutungsstörungen mag die Aktivität der Eierstöcke bereits bald oder in naher Zukunft dem Ende entgegengehen. Aber ansonsten gilt, dass je jünger die Frauen sind, die Vorhersage der Menopause weniger bis gar nicht möglich ist. Es ist aber davon auszugehen, dass die Wechseljahre bei niedrigen AMH-Werten früher als durchschnittlich eintreten, aber das wäre ja z. B. auch schon mit 45 Jahren bereits der Fall. Niedrige AMH-Werte bei Frauen unter 40 sind also nicht gleichbedeutend mit der nahenden Menopause, sondern höchstens mit ihrem früheren Eintritt.

Zusammenfassung

  • Der AMH-Wert ist in der Lage, die Reaktion der Eierstöcke auf Hormongaben vorherzusagen.
  • Liegt der AMH-Wert bei < 1,0 ng/ml oder > 5,0 ng/ml, ist die Vorhersage der Reaktion der Eierstöcke auf Hormongaben weniger gut möglich.
  • Der AMH-Wert ist ein Hormonwert und kann daher sinken aber auch steigen.
  • Der Eintritt der Wechseljahre korreliert vor allem mit dem Alter der Frau, erst in zweiter Linie mit dem AMH-Wert.
  • Bei jungen Frauen mit niedrigem AMH-Wert kann man nur sagen, dass die Wechseljahre evtl. früher als üblich eintreten, aber nicht innerhalb der nächsten Jahre, wenn Eisprünge bestehen.

Eine schlechte Ansprechbarkeit der Eierstöcke auf eine Hormongabe ist sicherlich nicht hilfreich bei einer Kinderwunschbehandlung und insofern ist ein niedriger AMH-Wert oft auch ein Problem. Aber es ist wichtig zu wissen, dass man zwar unter erschwerten Bedingungen agiert, aber nicht unter immensem Zeitdruck.


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Literatur

Literatur
1 Freeman EW1, Sammel MD, Lin H, Gracia CR
Anti-mullerian hormone as a predictor of time to menopause in late reproductive age women.
J Clin Endocrinol Metab. 2012 May;97(5):1673-80. doi: 10.1210/jc.2011-3032. Epub 2012 Feb 29.
2 Depmann M, Eijkemans MJ, Broer SL, Scheffer GJ, van Rooij IA, Laven JS, Broekmans FJ
Does anti-Müllerian hormone predict menopause in the general population? Results of a prospective ongoing cohort study.
Hum Reprod. 2016 Jul;31(7):1579-87
3 Nelson, S. M., Davis, S. R., Kalantaridou, S., Lumsden, M. A., Panay, N., & Anderson, R. A. (2023). Anti-Müllerian hormone for the diagnosis and prediction of menopause: a systematic review. Human Reproduction Update.
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Kommentar

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1 Kommentar
  1. Mariechen74
    Mariechen74 schreibt

    Bei meinen eigenen Werten habe ich diese Erfahrung auch gemacht:
    mit 37,5 Jahren 1,1
    mit 39,5 Jahren 1,5 (anderes Labor)
    mit 40,5 Jahren 2,5 (anderes Labor)
    mit 41 Jahren 1,3
    mit 43 Jahren 1,3
    Habe allerdings überlegt, ob die 2,5 einfach nicht gestimmt haben…. oder hat doch Vitamin D einen Einfluss auf den AMH-Wert? Der war bei der Messung mit 2,5 nämlich gut….die übrigen Werte schwanken ja nicht so sehr. Gab mit 2,5 auch nicht mehr Eizellen als mit 1,3

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