Blutung in der Schwangerschaft: Hilft Progesteron?
Gelbkörperhomon hilft bei der Einnistung. Kann es auch Fehlgeburten verhindern?
Das Gelbkörperhomon unterstützt die Einnistung und erhält dann später auch die Schwangerschaft. Hilft es dann, wenn man bei einer Blutung in der Schwangerschaft Progesteron einnimmt?
Eine Blutung in der Schwangerschaft ist selten ein ein gutes Zeichen. Oft ist sie jedoch ohne Bedeutung, denn eine leichte Blutung ist vor allem in der frühen Schwangerschaft nicht so selten.
Die Behandlung von Blutungen in der Schwangerschaft
Tritt eine Blutung in der Schwangerschaft – vor allem im ersten Drittel – dann wird meist angeraten, sich körperlich zu schonen. Das kann ja nie verkehrt sein. Oft wird sogar zur Bettruhe geraten. Ob es jedoch nützt, ist mehr als umstritten1)Aleman, A., Althabe, F., Belizán, J. M., & Bergel, E. (2005). Bed rest during pregnancy for preventing miscarriage. https://www.wunschkinder.net/aktuell/wissenschaft/beweise-in-der-medizin-die-cochrane-database-109/">Weiterlesen</a></p></div>" href="https://www.wunschkinder.net/aktuell/wissenschaft/beweise-in-der-medizin-die-cochrane-database-109/" target="_blank">Cochrane Database of Systematic Reviews, (2) 2)McCall, C. A., Grimes, D. A., & Lyerly, A. D. (2013). “Therapeutic” bed rest in pregnancy: unethical and unsupported by data. Obstetrics & Gynecology, 121(6), 1305-1308.
Zusätzlich oder auch als alleinige Therapie wird von den Ärzten oft Progesteron verschrieben. Die Idee ist dabei, dass das Gelbkörperhormon als „schwangerschaftserhaltendes“ Hormon dazu beiträgt, die Blutung zu verringern und natürlich auch das Risiko einer Fehlgeburt. Die Idee ist sicherlich nachvollziehbar und die Nebenwirkungen des Progesterons sind überschaubar. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Idee auch in Wirklichkeit hilft.
Progesteron bei Blutungen in der Schwangerschaft
Diese Behandlung wurde in zahlreichen Studien untersucht, die in einer Cochrane Übersicht zusammengefasst wurden. In dieser Studie kam man zu dem Schluss, dass Progesteron bei Blutungen in der Schwangerschaft durchaus hilfreich sein kann, Frühgeburten jedoch nicht verhindert werden3)Wahabi, H. A., Fayed, A. A., Esmaeil, S. A., & Bahkali, K. H. (2018). Progestogen for treating threatened miscarriage. Cochrane Database of Systematic Reviews, (8). Der Nachteil der hier aufgenommenen Studien war eine durchgehend niedrige Zahl an untersuchten Patientinnen. Dadurch ergibt sich auch bei einer zusammenfassenden Untersuchung („Metaanalyse“) keine ausreichend gute Aussagekraft.
In den Fachgesellschaften ist die Gabe von Progesteron zur Vermeidung von Fehlgeburten umstritten. In der aktuellen Leitlinie zur Behandlung von Fehlgeburten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird jedoch bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten (ohne nachweisbare Erklärung dafür = idiopatisch) die Gabe von synthetischem Progesteron als möglicherweise sinnvolle Behandlungsoption erwähnt4)Antoniadis, S., Lotz, L., & Cupisti, S. (2018). Diagnostik und Therapie habitueller Aborte–die S2k-Leitlinie 2018 in der Praxis. Frauenheilkunde up2date, 12(04), 375-388..
Auch wenn Blutungen in der Schwangerschaft ein Zeichen für eine drohende Fehlgeburt sein können, so ist die Behandlung möglicherweise eine andere als bei wiederholten Fehlgeburten, die ja auch durchaus ohne Blutung eintreten können. Die Frage, ob die Einnahme von Progesteron bei Frauen mit einer Blutung in der frühen Schwangerschaft helfen kann, ist bislang noch nicht hinreichend geklärt. Bis jetzt. Denn nun wurde eine groß angelegte Studie im New England Journal of Medicine veröffentlicht, das genau diese Frage behandelt5)Coomarasamy, A., Devall, A. J., Cheed, V., Harb, H., Middleton, L. J., Gallos, I. D., … & Goranitis, I. (2019). A Randomized Trial of Progesterone in Women with Bleeding in Early Pregnancy. New England Journal of Medicine, 380(19), 1815-1824..
Über 4.000 Frauen: Die PRISM-Studie
In dieser Studie (PRISM steht für „Progesterone in spontaneous miscarriage“) flossen die Daten von 4.153 Frauen ein, bei denen in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft eine Blutung eingetreten war. Bei allen Frauen war im Vorfeld per Ultraschall eine intakte Schwangerschaft festgestellt worden. Die Frauen erhielten alle Vaginalzäpfchen, die bis zur 16. Schwangerschaftswoche zweimal täglich eingenommen wurden.
Bei der Hälfte der Frauen enthielten diese Zäpfchen Progesteron (natürliches, „mikronisiertes“) und bei der Kontrollgruppe enthielten die Zäpfchen keinen Wirkstoff.
Die Ergebnisse der Studie waren eher ernüchternd. Erhielten die Frauen Progesteron, dann wurde in 75% der Fälle ein lebendes Kind zur Welt gebracht (1.513 von 2.025) verglichen mit 72% bei den Frauen, die nur Placebo erhielten (1.459 von 2.013). Sieht man diese absoluten Zahlen aller Frauen, die wegen vaginaler Blutungen behandelt wurden, dann ergibt sich hier kein signifikanter Unterschied. Mit anderen Worten: Progesteron bei Blutungen in der Schwangerschaft ist nicht wirksam.
Bei Fehlgeburten in der Vorgeschichte wohl doch hilfreich
Diese Aussage ist aber zu undifferenziert, so die Autoren der Studie. Zumindest wenn man bestimmte Untergruppen genauer anschaut, wie beispielsweise Frauen mit wiederholten Fehlgeburten. 285 Frauen hatten 3 oder mehr Fehlgeburten in ihre Vorgeschichte und erlitten. Davon bekamen 137 Gelbkörperhormone und 72% davon (98) brachten ein lebendes Kind zur Welt. In der Placebogruppe lag diese Zahl mit 57% (85) deutlich niedriger. Statistisch ist dieser Unterschied signifikant.
Zusammenfassung
Natürlich bestehen auch nach einer solchen Studie immer noch Unklarheiten und Fragen bleiben unbeantwortet. Aber die Ergebnisse der Studie und des eingangs Geschriebenen kann man so zusammenfassen:
- Die Gabe von (synthetischem) Progesteron ist bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten hilfreich
- Die Gabe von (natürlichem) Progesteron ist bei Frauen mit einer Blutung und wiederholten Fehlgeburten in der Vorgeschichte ebenfalls hilfreich
- Es loht sich hingegen nicht generell, Progesteron zu geben bei einer Blutung in der Schwangerschaft, wenn die betroffene Frau bislang keine Fehlgeburten hatte.
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Literatur
↑1 | Aleman, A., Althabe, F., Belizán, J. M., & Bergel, E. (2005). Bed rest during pregnancy for preventing miscarriage. https://www.wunschkinder.net/aktuell/wissenschaft/beweise-in-der-medizin-die-cochrane-database-109/">Weiterlesen</a></p></div>" href="https://www.wunschkinder.net/aktuell/wissenschaft/beweise-in-der-medizin-die-cochrane-database-109/" target="_blank">Cochrane Database of Systematic Reviews, (2) |
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↑2 | McCall, C. A., Grimes, D. A., & Lyerly, A. D. (2013). “Therapeutic” bed rest in pregnancy: unethical and unsupported by data. Obstetrics & Gynecology, 121(6), 1305-1308 |
↑3 | Wahabi, H. A., Fayed, A. A., Esmaeil, S. A., & Bahkali, K. H. (2018). Progestogen for treating threatened miscarriage. Cochrane Database of Systematic Reviews, (8 |
↑4 | Antoniadis, S., Lotz, L., & Cupisti, S. (2018). Diagnostik und Therapie habitueller Aborte–die S2k-Leitlinie 2018 in der Praxis. Frauenheilkunde up2date, 12(04), 375-388. |
↑5 | Coomarasamy, A., Devall, A. J., Cheed, V., Harb, H., Middleton, L. J., Gallos, I. D., … & Goranitis, I. (2019). A Randomized Trial of Progesterone in Women with Bleeding in Early Pregnancy. New England Journal of Medicine, 380(19), 1815-1824. |