Bewerten von Blastozysten (Grading) im Labor. Eine Übersicht.

Schulnoten für Embryonen, was sagen sie aus?

Foto © Dr. Elmar Breitbach

Bei einer künstlichen Befruchtung werden nach der Kultur der Zellen in der Petrischale schließlich Embryonen in die Gebärmutter eingepflanzt (Embryotransfer). Die Chance für eine Einnistung hängt von der Qualität der Embryonen ab1)Weitzman, V. N., Schnee-Riesz, J., Benadiva, C., Nulsen, J., Siano, L., & Maier, D. (2010). Predictive value of embryo grading for embryos with known outcomes. Fertility and sterility93(2), 658-662.. Was besagen Schulnoten, die der Biologe den Blastozysten gibt?

Die Bewertung von Embryonen an Tag 2-3 nach Punktion ist relativ simpel. Die gleichmäßige und zeitgerechte Teilung der Zellen steht hier im Vordergrund. Dies wird in einem anderen Artikel ausführlich erläutert. Bei der Blastozyste beginnt jedoch schon die Differenzierung der Zellen und eine ungleichmäßige Verteilung ist normal. Daher ist die Benotung weniger einfach und wird weiter unten genau erklärt. Zunächst aber die Klärung der Frage:

Was sind eigentlich Blastozysten?

Blastozysten Trophoblast Embryoblast
© Elmar Breitbach

Eine Blastozyste ist ein Embryo fünf Tage nach der Befruchtung der Eizelle. Die Blastozyste ist ein Entwicklungsstadium der Embryonalentwicklung von Säugetieren – also auch des Menschen. Meist erreicht der Embryo dieses Stadium 5 Tage nach der Befruchtung und unmittelbar vor der Einnistung. Ungefähr ein Drittel aller befruchteten Eizellen entwickeln sich zur Blastozyste. Namensgebend ist der Hohlraum (Zyste), der sich im Inneren des Embryos ausbildet und vom Embryo- und Trophoblasten umgeben wird.

Die Trophoblasten legen sich der Eizellhülle (Zona pellucida) an und flachen zunehmend ab. aus ihnen entsteht später der Mutterkuchen. Aus dem Embryoblasten („innere Zellmasse“) entwickelt sich später der Fet, also das Kind. Es findet also die erste Differenzierung der Zellfunktion statt.

Die Blastozysten dehnen sich durch Flüssigkeitsaufnahme immer weiter aus (= expandierende Blastozyste und die Eizellhülle dünnt aus, bis der Embryo diese Hülle schließlich verlässt (Schlüpfen = Hatching).

Wie bewertet man die Qualität der Entwicklung der Blastozysten?

Das Grading der Embryonen in diesem Entwicklungsstand ist etwas komplexer. Üblicherweise wird besteht die „Note“ aus einer Zahl (1-4), welche die Entwicklung von der frühen Blastozyste bis zur expandierten Blastozyste kurz vor dem Verlassen der Zona pellucida beschreibt. Es folgen zwei Buchstaben (A-C), welche den Zustand von Tropho- und Embryoblast repräsentieren.

1

Frühe Blastozyste
Der Hohlraum nimmt weniger als die Hälfte des Querschnitts ein

   

2

Frühe Blastozyste
Der Hohlraum nimmt mehr als die Hälfte des Querschnitts ein

Frühe Blastozyste Grad 2    

3

Blastozyste
Der Hohlraum nimmt fast den gesamten Querschnitt ein.
Die Trophoblastenzellen sind abgeflacht.

Blastozyste    

4

Expandierte Blastozyste.
Die Größe nimmt zu, die Zona Pellucida dünnt aus

expandierende Blastozyste schematische Darstellung Blastozyste 4BB Schematische Darstellung Blastozyste 4CC

Embryoblast

Beurteilung der „inneren Zellmasse“

A

Viele und eng gepackte Zellen

B

Einige locker verbundene Zellen

C

Nur wenige Zellen ohne Struktur

Trophoblast
Beurteilung der äußeren Zellen
A
Viele abgeflachte Zellen bilden einen Zellverband
B
Einige locker verbundene Zellen
C
Wenige Zellen ohne Struktur

 

Hat man also eine expandierte Blastozyste (4), bei der die innere Zellmasse eng gepackt und miteinander verbunden ist (A) und der äußere Zellring ist abgeflacht und ebenfalls in einem festen Zellverbund (A), dann handelt es sich um eine Blastozyste  Grad 4AA. Das entspricht also dem Embryo ganz links in der untersten Reihe. In der Reihe folgt dann 4BB und 4CC. Nun kann aber auch der Embryoblast nur wenige locker verbundene Zellen aufweisen (B) aber einen sehr schönen festen äußeren Zellring (A). Dann hätte diese Embryo einen Grad 4BA. Andere Konstellationen lassen sich aus der Tabelle gut ablesen. Die Tabelle lässt sich auf dem Handy leider nur schwer zuordnen, besser erkennt man die Zusammenhänge auf Tablet oder Desktop.

Zur Ergänzung: Es gibt auch die Zahlen 5 und 6 bei der Beurteilung für aus der Eizellhülle schlüpfende Blastozysten (5) oder solche, die die Hülle bereits komplett verlassen haben (6).

Ich habe keinen 4AA-Embryo. Das kann ich doch vergessen!

So ist es natürlich nicht. Die Chancen auf eine Schwangerschaft steigen mit zunehmender Qualität an. Das bedeutet jedoch nicht, dass man NUR mit perfekten Embryonen schwanger werden kann. Ein wenig Glück zu haben, ist auch mit perfekten Embryonen notwendig, ebenso kann man dies aber auch mit weniger guten Blastozysten haben.

Der konkrete Zusammenhang zwischen der Qualität der Blastozysten und Schwangerschaftsrate

Zu der Frage: Wie hoch ist denn die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Qualität der Blastozysten gibt es viele Studien. Alle können einen Zusammenhang zwischen der Qualität des Embryos und der Schwangerschaftsrate herstellen. Ich möchte hier eine Studie2)Zhao, Y. Y., Yu, Y., & Zhang, X. W. (2018). Overall blastocyst quality, trophectoderm grade, and inner cell mass grade predict pregnancy outcome in euploid blastocyst transfer cycles. Chinese medical journal131(11), 1261-1267. vorstellen, die fast 1000 Blastozystentransfers untersuchte und nur sogenannte „Single Embryo Transfers“, bei denen also nur eine Embryo pro Transfer eingesetzt wurde. Das hat den Vorteil, dass man dann genau weiß, welcher Embryo sich eingenistet hat.

Ohne das nun ausführlich aufzusplitten, wie die Bewertungen im Einzelnen entstanden sind (Kann man aber im Original-Artikel nachlesen), wurden die Embryonen in vier verschiedene Güteklassen eingeteilt: „Exzellent, gut, durchschnittlich und schlecht“. Und so sahen die Ergebnisse aus: Es zeigt sich kein großer Unterschied zwischen den exzellenten und den guten Blastozysten. Und auch die durchschnittlichen führen nur zu geringfügig geringeren Erfolgsraten. Lediglich die Blastozyste mit einer schlechten Morphologie zeigt signifikant schlechtere Schwangerschaftsraten als die übrigen Gruppen. Aber selbst hier tritt in 25% der Fälle eine klinische Schwangerschaft ein.

Man ist also gut beraten, auch den eher nicht so perfekten Blastozysten eine Chance einzuräumen, denn letztlich kann jede Blastozyste schwanger machen!

Einige FAQ zum Blastozystentransfer

 

Wie lange dauert es, bis sich eine Blastozyste einnistet?

Üblicherweise nisten sich menschliche Embryonen am 6 Tag ihre Entwicklung ein. Das gilt auch für den Fall, dass sie zunächst im Labor herangereift sind. Wird also eine Blastozyste fünf Tage nach der Befruchtung in die Gebärmutter eingesetzt, dann wird sich sich meist schon am Folgetag einnisten.

Wann kann man nach einem Blastozystentransfer einen Schwangerschaftstest machen?

Der Zeitpunkt des Schwangerschaftstests wird nicht vom Transfer vorgegeben, sondern vom Zeitpunkt der Eizellentnahme (Punktion). Wenn man also den Schwangerschaftstest 14 Tage nach Punktion für vernünftig hält, dann sollte man den Test nach 14 minus 5 Tagen machen, also am 9.-10. Tag nach dem Transfer.

Wieso heißt die Blastozyste, eigentlich -zyste und nicht Blastozyte?

Weil bei der reifen Blastozyste ein Hohlraum entsteht, der zystisch ist, also mit Flüssigkeit gefüllt.

Kann man eine Blastozyste einfrieren?

Ja, das funktioniert sehr gut. Ca. 90% der eingefrorenen Blastozysten sind nach dem Auftauen vital.

Aus wievielen Zellen besteht eine Blastozyste?

Üblicherweise wird die Zahl mit ca. 200 Zellen geschätzt.

Was versteht man eigentlich unter einer „schlüpfenden Blastozyste“?

Das ist ein Embryo im Blastozystenstadium, der gerade seine Eizellhülle verlässt, also aus dieser schlüpft. Das sieht dann aus wie in diesem Bild:
schlüpfende Blastozyste Blastozystentransfer

 

Falls noch jemand eine Frage hat oder eine Idee, welche Frage fehlt: Gerne in den Kommentaren melden!

Noch Fragen?

Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über zahlreiche andere Foren von wunschkinder.net.
Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.

Literatur

Literatur
1 Weitzman, V. N., Schnee-Riesz, J., Benadiva, C., Nulsen, J., Siano, L., & Maier, D. (2010). Predictive value of embryo grading for embryos with known outcomes. Fertility and sterility93(2), 658-662.
2 Zhao, Y. Y., Yu, Y., & Zhang, X. W. (2018). Overall blastocyst quality, trophectoderm grade, and inner cell mass grade predict pregnancy outcome in euploid blastocyst transfer cycles. Chinese medical journal131(11), 1261-1267.
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Kommentar

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8 Kommentare
  1. Minzchen
    Minzchen schreibt

    Lieber Doc,
    man hört auch immer wieder von expandierenden Blastozysten. Ist das das gleiche wie expandierte Blastozsysten oder was ist der Unterschied?

  2. Elmar Breitbach
    Elmar Breitbach schreibt

    Ja, die einen sind noch in der Ausdehnung (Expansion) begriffen und die nennt man expandierend, die anderen sind bereits vollständig ausgedehnt, also expandiert.

  3. Minzchen
    Minzchen schreibt

    Vielen Dank für die Erklärung. Dann fällt eine expandierende Blastozyste unter die Einteilung 3 und noch nicht unter 4?

  4. Elmar Breitbach
    Elmar Breitbach schreibt

    Nein, das sind beides Stadium 4. Beide sind bereits größer als die ursprüngliche Eizellenhülle, die unter dem inneren Druck der Expansion ausdünnt.

  5. Nine2202
    Nine2202 schreibt

    Lieber Doc,

    sehe ich es dann richtig, dass an Tag 5 eine frühe 1-2BB Blastozyste nicht so gut ist?

    Wir hatten 8 befruchtete EZ und unser Doc entschied, er will alle kultivieren (konnten nicht widersprechen). Übrig war dann an Transfertag nur diese eine und 5 nicht fertige, dann wurde weiterkultiviert und Sonntag TF+6 sei nochmal so eine entstanden die dann vitrifiziert wurde.

    Damit haben wir doch keine Chancen, oder? IVF war negativ.

  6. Elmar Breitbach
    Elmar Breitbach schreibt

    Liebe Nine,

    Sie fragen, ob Sie damit keine Chance hatten. Offenbar haben Sie den letzten (und aus meiner Sicht wichtigsten) Absatz des Artikels überlesen.

    Sie fragen auch, ob 2BB nicht so gut ist. Nein, das ist es nicht, zumindest nicht im Vergleich zu den optimalen 4AA Embryonen, da muss ich Ihnen recht geben. Aber es bedeutet eben nicht, dass Sie KEINE Chancen haben, nur schlechtere. Ich wünsche mehr Glück beim nächsten Mal!

  7. […] des äußeren Erscheinungsbilds (Morphologie) festgelegt. Dazu gibt es klar definiert Kriterien bei Blastozysten und bei Embryonen 2-3 Tage nach der Punktion. Wie man in den verlinkten Artikel sehen kann, gibt es […]

  8. […] Wird ein sogenannter Blastozystentransfer durchgeführt, erfolgt also der Transfer 5 Tage nach der Entnahme der Eizellen kann ebenfalls ein sogenanntes Grading der Blastozysten erfolgen, also eine Beurteilung nach bestimmten Vorgaben. […]

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