

Wer zum Teufel schreibt eigentlich die Überschriften der FAZ?
Immer wieder fällt das vermeintlich seriöse Blatt durch BILD-Zeitungs-Niveau auf
Die drittgrößte überregionale Tageszeitung Deutschlands neigt zu tendenziöser Berichterstattung, wenn es um Kinderwunsch und künstliche Befruchtung geht.
Ich habe gelernt, dass es in großen Zeitschriften für die Erstellung von Überschriften gesonderte Autorenteams gibt. Die BILD-Zeitung ist berühmt dafür, im Guten wie im Schlechten. Wer es noch nicht wusste: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ebenfalls.
Im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung hat sich da über die Jahre sogar eine üble Tradition entwickelt, natürlich auch getriggert durch Autoren, die tendenziös berichten und auch gerne einmal Fakten so verdrehen, dass ihre ganz persönliche Meinung die eigentlichen Ergebnisse einer Studie ins Gegenteil verdreht.
Und immer garniert mit knackigen Überschriften
„Krebsfalle unerfüllter Kinderwunsch?“ war eine dieser Überschriften. Es ging um Krebsrisiken bei Kinderwunschbehandlungen. Die Überschrift legt ein solches Risiko – fälschlicherweise – nicht nur nahe, sondern stellt es als unabwendbares Risiko dar, dem man sich wie einer gut funktionierenden Falle – mit der Hoffnung auf ein Kind als Köder – nicht entziehen kann. Es ist nun schon ein paar Jahre her und ich habe damals in einem Artikel auf dieser Seite die Fakten sortiert und mich angemessen über die unsachliche Überschrift aufgeregt.
„Ramponiert aus der Retorte„ – Dazu fiel mir damals zunächst gar nichts mehr ein. Denn mit „ramponiert“ war damals „tot geboren“ gemeint. Die Autorin des Artikels (die gleiche wie bei der Krebsfalle) interpretierte eine Studie so, dass deutlich mehr Totgeburten nach IVF und ICSI auftreten als bei normal gezeugten Kindern. Eine Schlussfolgerung, zu der noch nicht einmal die Autoren der Studie selbst kamen. Und auch hier ergab der Faktencheck (ja, den gab es hier schon 2010), dass die Ergebnisse tendenziös – interpretiert, verfälscht, wie auch immer – wurden. Aber das Grauslichste war mit Abstand die Überschrift…
„Verbotener Babymarkt“

Und jetzt wieder so ein Klopfer. Man mag ja zu der Kinderwunsch-„Verbraucher“-Messe stehen, wie man möchte. Wir hatten hier bereits darauf hingewiesen, dass sie an diesem Wochenende stattfindet. Ja, und auch, das dort Themen und Aussteller Platz finden werden, die Leistungen anbieten, die in Deutschland nicht erlaubt sind.
Aber (!!!!!): Dort werden doch keine Babys unterm Ladentisch verkauft!!! Oder was soll dieser Blödsinn mit dem Babymarkt? Mit dieser Überschrift bleibt (siehe Untertitel der FAZ) in der Tat die Ethik auf der Strecke: Die journalistische. Auch im Artikel.
Es ist ja nicht alles schlecht. Natürlich greift der Artikel auch Fragen auf, die nahe liegen: Anonyme Spenden von Eizellen und Spermien, Rekrutierung von Eizellspenderinnen etc. Alles wichtige Themen.
Kinderlose Paare sind Leute mit zuviel Geld und einem Mangel an Moral und Kindern.
Dieser grundsätzlich lobenswerte Ansatz wird jedoch in einem Artikel verwurstet, der sich nicht im Entferntesten die Mühe macht, die Sicht der kinderlosen Paare zu berücksichtigen. Diese werden als Leute mit zuviel Geld und ebenso wenig Kindern wie Moral dargestellt.
Zum Kotzen. Die Autorin Wibke Becker läuft auch nicht Gefahr, sich durch zu viel Recherche ihre schönen Vorurteile stören zu lassen. Es werden die Webseiten der Anbieter zitiert. Und noch sonst so einiges, was einem Google ausspuckt, wenn man „Eizellenspende“ in den Suchschlitz tippt. Nein, kein O-Ton von Paaren. Auch nicht von Betroffenen oder deren Vertretern. Warum auch? Becker kennt sich aus:
- „Es scheint, als sei einigen Paaren nicht so wichtig, was die gesetzliche Lage in Deutschland ist und warum sie so ist, wie sie ist.„
- „Die Messe ist in Wirklichkeit eine Informationsmesse darüber, wie sich deutsche Gesetze umgehen lassen.„
- Sie weist hin auf“abgefahrene Sachen wie Kinderwunsch-Yoga oder Kinderwunsch-Ernährungstipps.“ In diesem Fall hat sie meine Zustimmung. Aber ich begründe, warum ich es für abgefahren halte. Becker klassifiziert nur (ab)
- „Die Messe in Berlin ist dazu da, dass ein internationaler Keimzellen-Handel entsteht, bei dem einzelne Länder miteinander um die billigsten Waren konkurrieren.“
Und dann haben wir doch noch einen O-Ton. Petra Thorn, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung, BKiD, wurden zu ihrer Teilnahme an den Kinderwunsch-Tagen befragt. Bei der Entscheidung zur Teilnahme „sei es [ihr] darum gegangen, dass „die psychosoziale Kinderwunschberatung“ vertreten sei.“ Dies sei wichtig, damit „Paare für sich entscheiden können, ob eine Familienbildung mit Samen oder Eizellen anderer Personen für sie der richtige Weg ist.“
Eine erwartbare Antwort von Frau Thorn. Um dieses Thema hat sie sich in den letzten Jahrzehnten sehr verdient gemacht. Viele Paare und vor allem deren Kinder profitierten von ihrer Arbeit. Frau Becker findet es jedoch nicht gut und haut Frau Thorn in die Pfanne: Die Antwort vermittle „eine eigentümliche Auffassung von der menschlichen Entscheidungsfreiheit, ohne gesellschaftlichen oder moralischen Aspekt.“
Das ist lustig. Wurde Petra Thorn doch vom Präsidenten des Deutschen Bundestags, Dr. Norbert Lammert, im letzten Jahr in den Deutschen Ethikrat berufen.
2014 kündigte die FAZ an, 200 Stellen streichen zu wollen. Man kann sich den Eindrucks nicht erwehren, dass nur noch die Praktikantinnen übrig geblieben sind. Und natürlich die Überschriftenredaktion, die vor allem.
Noch Fragen?
Dann haben Sie in unserem Kinderwunschforum die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder Fragen an unsere Experten zu richten. Und hier finden Sie die Übersicht über zahlreiche andere Foren von wunschkinder.net.Die am häufigsten gestellten Fragen haben wir nach Themen geordnet in unseren FAQ gesammelt.
So etwas (Stimmungsmache für/gegen etwas, reißerische, mitunter beleidigende Überschriften, Fakten werden ignoriert etc.) sollte in seriösen Medien nicht passieren.
Leider habe ich generell den Eindruck, daß es längst nicht mehr nur um Information und Dialog geht (und zwar bei jeglichen Themen, nicht nur Kinderwunsch), sondern einfach um Deutungshoheit und mitunter Abwertung der "Gegenseite".
Im übrigen sind doch m.W.n. reproduktionsmedizinisch in europäischen Nachbarländern ganz andere Dinge erlaubt als in Dt.? Sind das nun alles "Verbrecherstaaten" ohne Moral? Mit welchem Recht wird der deutsche Weg als der einzig richtige dargestellt? Ich kann jeden verstehen, der sich in medizinische Behandlung nach Spanien, Skandinavien o.ä. begibt – da hat die Moralkeule aber so gar nichts zu suchen, das sind auch demokratische Länder, noch dazu innerhalb der EU! Auf manche Artikel fällt einem wirklich nichts mehr ein!
Jetz beruhigen Sie sich mal!
Der Artikel (und nicht nur die Überschrift) ist wirklich harter Tobak und so einseitig, dass es sich nicht lohnt ihm so viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das schafft mehr Aufmerksamkeit als er verdient.
Was die Arbeit von Petra Thorn angeht, kann ich nur zustimmen. Sie hat sich wirklich einen Namen gemacht. Ich bin selbst bei BKID Mitglied und kann dies nur bestätigen.
Selbstvertändlich wirbt BKiD für die Notwendigkeit von psychoszialer Beratung im Rahmen von künstlicher Befruchtung "jeglicher Art". Etwas selbstkritisch will ich aber hinzufügen, dass natürlich nicht jedes Paar diese Beratung braucht. Es gibt durchaus viele Paare, die sich sehr intensiv mit dem Themenfeld beschäftigen und sehr verantwortungsvoll eine Entscheidung ohne Beratung treffen können.
Andere suchen den Austauch mit Paaren, die den Weg bereits gegangen sind. Also Erfahrungsberichte und weniger psychosoziale Beratung.
Das Spektrum und auch die Bedürfnisse sind sehr breit gestreut und unterschiedlich. Ich finde wichtig, dass jedes Paar genau hinschaut, was es braucht. Der Artikel in der FAZ geht darauf nicht ein und hat sofort eine Schublade für die Antwort von Petra Thorn parat. Trotzdem und gerade deshalb will ich aber gerne darauf verweisen.
Beste Grüße
Silke Schwekutsch
Die FAZ vertritt halt als "wertkonservatives" Blatt die Position, dass man Kinderlosigkeit demütig, da gott- oder naturgewollt hinnehmen soll. Dahinter steht der Gedanke, dass etwas mit einem falsch sein muss, und eine übergeordnete Macht dies erkannt hat. Geeignete Menschen würden schon Eltern werden. Die ungeeigneten, welche die Natur oder den Gotteswillen austricksen, würden damit aus Egoismus einem Kind schlechte Eltern zumuten und damit dessen Leben ruinieren. Diese Position ist nur eins: Hochmütig, grausam und arrogant. Einerseits wird ein Kind zu haben als das höchste Gut im Leben postuliert, als das Edelste, andererseits wird dieses Glück und dieser Lebenssinn anderen Menschen unter dem Vorwurf des Egoismus verweigert.
Ich freu mich über Ihre Wut in ihrer Unverblümtheit.
Dieser Artikel ist einfach nur abstoßend und ein Schlaf ins Gesicht für all die Paare, die sich mit ungewollter Kinderlosigkeit zurechtfinden müssen. Es ist absurd Menschen das Grundlegenste ihrer Natur absprechen zu wollen, weil es naturgegeben oder per Unfall dazu gekommen ist, dass sie in dieser Situation sind. Im gleichen Sinne sollte die Autorin Organtransplatationen ankreiden, oder die Behandlung schwerer Erkrankungen. Krebs ist eben auch dann "naturgegeben", und eine Organschädigung sowieso. Was ist eigentlich mit Knochenmarkspende? Die ist ebenfalls kein Spaziergang, aber in der Welt der FAZ Journalistin also genehm? Ein wenig Demut hätte der Journalistin gut getan. Und mehr Recherche ebenso.
Heutzutage haben selbst katholische Moral-Theologen (Mitglied des Ethikrates) und "ältere" Kinderwunsch-Päpste einen fortschrittlicheren Standpunkt als die FAZ. Hier das Interview zur gleichen Problematik (rbb): http://www.rbb-online.de/panorama/beitrag/2017/02/kinderwunschbehandlung-berlin-reproduktionsmedizin.html – so ganz anders. Auch so kann Journalismus sein.
Welchen Schuss haben diese unsere angeblich "wertkonservativen" Journalisten (vergleiche mit Moral-Theologen…) eigentlich nicht gehört in den letzten 20 Jahren? Ist das die neue Generation der ewig Gestrigen?
Mir verschlägt es die Sprache – die FAZ ein Blatt für über 80jährige? Vermutlich. Gut, dass ich sie seit Jahren nicht mehr kaufe. Ein Kaufanreiz ist durch diese Schlagzeile für etliche weitere Jahre ausgeblieben.
Das ist jetzt mindestens schon der 3. Artikel dieser Autorin zum Thema innerhalb von wenigen Tagen (29. Januar, Titel: "Babymarkt" – so gut wie derselbe Text. Auf diesen Artikel habe ich einen Leserbrief an die FAZ geschrieben, der – wie ich weiß – von diversen weiteren Leserbriefen aus dem Forum in seinem Inhalt unterstützt wurde. Bezeichnenderweise wurde keiner dieser Leserbriefe in der FAZ abgedruckt. Stattdessen wurde dann noch dieser: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familien-weniger-paare-adoptieren-kinder-14846277.html obendraufgesetzt, ebenso tendenziös.
Diese Art der Berichterstattung ist einfach nur billig.
Das Schöne ist vielleicht, dass solche Artikel mitunter das Gegenteil ihres Anliegens bewirken. Ich habe gerade wieder die Hoffnung, dass sich unser Gesetzgeber mit dem ungerechtfertigten Verbot einiger Verfahren auseinandersetzen wird. Der Ethikrat zumindest hat das Thema aufgegriffen und thematisiert es z.B. am 22. März: http://www.ethikrat.org/veranstaltungen/forum-bioethik/eizellspende-im-ausland
[…] hatte ich ja darüber berichtet, dass die Überschriftenredaktion der FAZ ziemlich viel dummes Zeug schreibt. Zu diesem Thema fiel ihr nun eine Überschrift ein, die selbst bei der Bildzeitung im Mülleimer […]
[…] ich kürzlich erst ausführlich über die Frankfurter Allgemeine aufregen musste, gibt es nun Anlass zum Lob. Die SZ hat sich in einem Themenschwerpunkt in den letzten Tagen mit […]