Reproduktionsmedizin in Polen, Deutschland und der Vatikan


Hut ab vor der katholischen Kirche. Ihre Internet-Portale sind absolut auf der Höhe der Zeit und mischen sich in meinem Feedreader sehr aktuell in Diskussionen über Embryonenschutzgesetze in Deutschland und Polen.

Deutsche Fortpflanzungsmediziner fordern Änderung des Embryonenschutzgesetzes
Die katholische Nachrichtenagentur berichtete als erste über Forderungen deutscher Fortpflanzungsmediziner zur Liberalisierung des Embryonenschutzgesetzes.

In ärztlich begründeten Einzelfällen müsste auch die in Deutschland bislang verbotene Eizellenspende erlaubt werden, sagte der Pressesprecher des Dachverbandes Reproduktionsbiologie und -medizin (DVR), Franz Geisthövel, am Wochenende in Freiburg

Zum Thema Embryonenselektion verwies Geisthövel auf den vom DVR entwickelten „Deutschen Mittelweg“.

Darin werde ausdrücklich das Verbot der Embryonenforschung bekräftigt. Es sollten jedoch im Einzelfall mehr als drei Eizellen, die sich auf dem Weg der Befruchtung befinden, weiter kultiviert werden, um zwei entwicklungsfähige Embryonen zu erhalten. Entwickeln sich entgegen der Voraussage mehr als zwei Embryonen, könne der überzählige Embryo tiefgefroren werden.

Dies diene der Verbesserung der Schwangerschaftsraten und der Vermeidung höhergradiger Mehrlingsschwangerschaften. Radio Vatikan veröffentlicht diese Meldung ebenfalls unter der Überschrift „D: Zu strenges Embryonenschutzgesetz?“ und ergänzt sie lapidar mit dem Satz „Die Kirchen lehnen eine Liberalisierung des Embryonenschutzgesetzes ab„.

Das war nicht anders zu erwarten. Vor diesem Hintergrund verdient ein Bild-Interview mit der Kanzlerin von heute besondere Beachtung, wobei ihre sibyllinische Antwort sehr interpretationsfähig ist. Vorweg sei gesagt, dass der CDU-Parteitag sich Anfang Dezember mit knapper Mehrheit für eine Liberalisierung bei der embryonalen Stammzellenforschung ausgesprochen hatte . Merkel hatte eindringlich dafür geworben, die Forschung an embryonalen Stammzellen weiter zu erlauben, um die Forschung voranzutreiben und letztlich den Gebrauch von Embryonen überflüssig zu machen. Kritik gab es daran vor allem vom Kölner Kardinal Joachim Meisner. Im Interview mit der BamS äußert sie sich wie folgt:

BamS: Bei der Stammzellenproblematik liegen Union und katholische Kirche weit auseinander. Glauben Sie, dass der deutsche Papst noch sein Kreuz bei der Union machen würde?

Merkel: Das Wahlgeheimnis gilt auch für den Papst. Deshalb erlaube ich mir dazu keine Bemerkung. Ich kenne aber keine Partei, die so um ethische Fragen ringt wie die Union. Ich kenne keine Partei, die etwa in der Frage der Spätabtreibungen so an der Seite der Kirchen steht. Über das Thema der künstlichen Befruchtung hat es intensive Diskussionen mit der katholischen Kirche gegeben. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche sind uns unverzichtbare Gesprächspartner. Als Parteivorsitzende der Christlich-Demokratischen Union sage ich: Das muss auch so bleiben.

Hm….
Das sagt uns nicht wirklich viel. Man kann zwischen den Zeilen ahnen, dass Frau Merkel mit der katholischen Kirche die gleichen Probleme hat, wie dereinst Schröder mit den Gewerkschaften. Eine Kollision alter Bindungen mit Pragmatismus. Aber auf ein „Basta“ werden wir vermutlich lange warten müssen.

In Polen ist alles offen
Die polnische Regierung plant eine Kostenübernahme für die künstliche Befruchtung durchzuführen. Trotz scharfer Proteste der Bischöfe beharrt Gesundheitsministerin Ewa Kopacz darauf, Frauen künftig die künstliche Befruchtung mit öffentlichen Geldern zu bezahlen, berichtet das Ärzteblatt und beruft sich ebenfalls auf den Katholischen Nachrichtendienst. Die TAZ berichtet detaillierter:

Polens Bischöfe halten die In-Vitro-Befruchtung für „Teufelswerk“. Sie sei eine besonders raffinierte Form der Abtreibung und von Papst Johannes Paul II. rigoros abgelehnt worden. Jedes Kind habe das Recht darauf, in einem „ehelichen Liebesakt“ gezeugt zu werden und nicht würdelos im Reagenzglas. In seiner Weihnachtspredigt beschwor Bischof Piotr Libera gar den biblischen Kindermord König Herodes: „Über Betlehem lastet wieder der Schatten Herodes. Ist dies nicht ein Teufelswerk? Ein menschliches Leben beginnen zu lassen und gleichzeitig ein Dutzend menschliche Keimzellen zu vernichten?“ Deshalb sage die katholische Kirche ganz klar Nein zur künstlichen Befruchtung im Labor.“ […] Mitte Dezember sandte der Familien-Ausschuss der polnischen Bischofskonferenz einen offenen Brief an die Parlamentarier und erinnerte sie an die restriktive Sexualmoral Papst Johannes Pauls II. Durch die künstliche Zusammenführung von Eizelle und Samenfaden der Eltern verliere das so geschaffene Kind seine menschliche Würde. […] Das Leben eines neuen Menschen werde also erkauft durch den Tod seiner Brüder und Schwestern.

In Polen fehlt jede Art von gesetzlicher Regelung für die Reproduktionsmedizin. Den Polen ist zu wünschen, dass sie nicht das gleiche Schicksal ereilt wie ihren Glaubensbrüdern in Italien, welches durch massive Intervention des Vatikan eines der strengsten Gesetze weltweit hat.


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Kommentar

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2 Kommentare
  1. […] Rproduktionsmedizin ist gesetzlich ungeregelt und umstritten. Wir hatten hier schon einmal über die Stellung der polnischen katholischen Kirche gegenüber der Reprodktio…. Eine Haltung, die auch von kirchlichen Würdenträgern in Deutschland geteilt […]

  2. Rebella
    Rebella schreibt

    Altes und Neues aus dem Vatikan:

    http://www.domradio.de/aktuell/artikel_47566.html

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