Präimplantationsdiagnostik aus der Kulturflüssigkeit

Untersuchung des Erbguts eines Embryos ohne Biopsie möglich


Die Untersuchung des Erbguts von Embryonen vor der Einnistung („Implantation“) nennt man Präimplantationsdiagnostik („PID“). Durch eine Entnahme von Zellen kann man also die Chromosomen eines Embryos untersuchen, bevor man ihn in die Gebärmutter „einpflanzt“. Neue Methoden erlauben eine solche Untersuchung auch ohne Zellentnahme aus dem Kulturmedium.

Präimplantationsdiagnostik am mehrzeligen Embryo

embryo im 4-Zellstadoium
Mehrzelliger Embryo in seiner Eizellhülle

Im Mehrzellstadium werden für die PID (meist im Achtzellstadium) eine oder zwei Zellen entnommen, um deren Chromosomen zu untersuchen, was natürlich einen großen Eingriff für den Embryo bedeutet. Zu diesem frühen Zeitpunkt liegen bei den Embryonen jedoch oft sogenannte „Mosaike“ vor: Ein Teil der Zellen eines Embryos weist dann einen normalen Chromosomensatz auf, andere hingegen haben ein Chromosom zuviel oder zu wenig. Man geht davon aus, dass bis zu 50% aller frühen Embryonen genetisch defekt sein können, diese sich aber selbst „heilen“ können“.

Präimplantationsdiagnostik an der Blastozyste

Blastozyste Trophoblast Embryoblast
Blastozyste. Embryo am 5. Tag der Eizellentnahme.

Daher ist man in letzter Zeit dazu übergegangen, die Zellen zu einem späteren Zeitpunkt zu übernehmen. Am 5. Tag der Embryonalentwicklung (Blastozysten) hat man mehr Zellen für die Präimplantationsdiagnostik zur Verfügung und die Entnahme und diese gestaltet sich auch einfacher durch die Lage der Zellen an der äußeren Zellhülle. Trotzdem wird auch hier der Embryo durch die Entnahme verletzt. Das scheint diesem zwar wenig auszumachen, jedoch wären weniger invasive Methoden der Untersuchung eines Embryos natürlich erstrebenswert. Das scheint nun möglich zu sein (zu werden).

Neue Methode: PID aus dem Kulturmedium

Bereits vor zwei Jahren berichteten österreichische Wissenschaftler über erste Versuche, die Untersuchung des Erbguts eines Embryos aus der Flüssigkeit durchzuführen, in dem dieser im Brutschrank heranreift. Bei der ICSI entstehen in der Eizellhülle (Zona pellucida) winzige Löcher, aus denen DNA austreten kann. Dies lässt sich im Kulturmedium nachweisen und untersuchen. Damals schrieb ich in einem Beitrag auf diesen Seiten:

„Die Methode ist aktuell nicht fertig etabliert oder auch nur annähernd reproduzierbar. Aber wenn es gelingen sollte, daraus eine Anwendung zu entwickeln, dann könnte es eine kleine Revolution für die Kinderwunschbehandlung darstellen.“

Da scheint man nun einen Schritt weiter zu sein.  Die Wiener Wissenschafter untersuchten DNA aus Kulturmedium im Rahmen von 22 ICSI-Behandlungen und verglichen die Ergebnisse dieser Präimplantationsdiagnostik mit denen einer Polkörperdiagnostik an der Eizelle, aus denen die Embryonen entstanden.

Als alleinige Methode nicht aussagefähig genug

Die Ergebnisse der Untersuchung wurde nun vor kurzem in „Reproductive BioMedicine Online“ publiziert1)Feichtinger M, Vaccari E, Carli L, Wallner E, Mädel U, Figl K, Palini S, Feichtinger W
Non-invasive preimplantation genetic screening using array comparative genomic hybridization on spent culture media: a proof-of-concept pilot study.
Reprod Biomed Online. 2017 Mar 28. pii: S1472-6483(17)30147-5. doi: 10.1016/j.rbmo.2017.03.015. [Epub ahead of print]
: Die Resultate aus der Präimplatationsdiagnostik aus der Kulturflüssigkeit des Embryos stimmten in 72 Prozent der Fälle mit jenen aus der Polkörperdiagnostik überein.

Das Problem bei dieser Untersuchung, so die Autoren, ist das Auftreten falsch negativer Ergebnisse, denn es finden sich auch mütterliche Zellen im Kulturmedium. Ist das Resultat also ein normaler weiblicher Chromosomensatz, dann kann es auch der der Mutter sein. Außerdem wäre natürlich der Vergleich mit PID aus Biopsien interessant, jedoch in Österreich rechtlich ebenso problematisch wie in Deutschland.

In ihrem Artikel in „Reproductive BioMedicine Online“ kommen sie zu dem vorläufigen Schluss, dass die „nichtinvasive Präimplantationsdiagnostik“ eine sinnvolle Ergänzung zur Polkörperdiagnostik oder PID an drei Tage alten Embryonen sein könnte.


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Literatur

Literatur
1 Feichtinger M, Vaccari E, Carli L, Wallner E, Mädel U, Figl K, Palini S, Feichtinger W
Non-invasive preimplantation genetic screening using array comparative genomic hybridization on spent culture media: a proof-of-concept pilot study.
Reprod Biomed Online. 2017 Mar 28. pii: S1472-6483(17)30147-5. doi: 10.1016/j.rbmo.2017.03.015. [Epub ahead of print]
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Kommentar

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1 Kommentar
  1. CaraHope
    CaraHope schreibt

    Sehr interessant. Ich bin davon überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren sehr viel im Bereich der Reproduktionsmedizin tun wird. Vielen Dank für die Informationen!

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