Low responder: Kann Testosteron die Stimulation verbessern?


Es ist nicht unbedingt eine neue Theorie, dass die Gabe von männlichen Hormonen die Eizellausbeute bei „low respondern“, also Frauen, die schlecht auf eine hormonelle Stimulation ansprechen, verbessern kann. DHEA wurde z. B. bereits vor Jahren als mögliche hilfreiche Unterstützung in diesen Fällen beschrieben, jedoch auch die Gabe von Testosteron als Salbe oder Pflaster [2].

Inzwischen sind jedoch auch weitere Studien erschienen, zuletzt im August dieses Jahres [1]. In dieser Studie wurden 110 Frauen untersucht, die sich eine IVF-Behandlung im Antagonistenprotokoll unterzogen und in Vorbehandlungen weniger als 4 Follikel auf die Hormongaben hin entwickelten.

Die Patienten wurden in zwei Gruppen unterteilt: Eine erhielt vor Beginn der Stimulation 21 Tage lang 12,5 mg Testosteron täglich, die anderen hatten keine spezielle Vorbehandlung. Die beiden Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der wichtigsten Parameter nicht.

Die Ergebnisse waren recht überzeugend:

  • Die Stimulationsdauer und die verbrauchten Einheiten an Hormonen war in der Testosterongruppe kürzer bzw. niedriger.
  • Die Zahl gewonnener Eizellen, die Befruchtungsrate und der Anteil von Embryonen mit guter Qualität war in der Testosterongruppe deutlich, wenngleich nicht signifikant höher
  • Die Schwangerschaftsraten waren in der Testosterongruppe signifikant höher
  • Die Nebenwirkungen der kurzfristigen Testosteroneinnahme waren vernachlässigbar

Fábregues et al. [3] kamen in einer Studie im letzten Jahr ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die kurzfristige Gabe von Testosteron (20 Mikrogramm Testosteron pro Körpergewicht pro Tag an 5 Tagen vor Beginn der hormonellen Stimulation) ebenfalls zu einer verbesserten Ausbeute an Eizellen bei low respondern führen kann.

Der Vorteil dieser Medikation gegenüber der Gabe von DHEA ist der schnelle Wirkungseintritt, denn das DHEA muss z. T. mehrere Monate verabreicht werden, um seine volle Wirkung zu entfalten. Umstritten ist die Art des Protokolls, welches bei low respondern am besten anschlägt. Meine persönliche Erfahrung ist, dass man es mit zwei gegensätzlichen Faktoren zu tun hat: Einerseits möchte man den Hormonhaushalt nicht über Gebühr durch eine Downregulation unterdrücken, andererseits ist die hormonelle Situation der „LowLResponderin“ instabil mit dem Hang zu vorzeitigen Ovulationen oder Luteinisierung der Eizellen durch hohe LH-Spiegel.

Welcher Gefahr man mehr Aufmerksamkeit schenken muss bei dieser Art Gratwanderung ist selten im Vorfeld absehbar. Grundsätzlich berichten zunehmend mehr Kollegen innerhalb und außerhalb von Studien über bessere Erfahrungen mit dem Antagonistenprotokoll, was sich durchaus mit meinen persönlichen Erfahrungen deckt. Jedoch habe ich auch immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass es auch Patientinnen gibt, die trotz schlecht stimulierbarer Eierstöcke mit einem langen Protokoll aufgrund der dann stabileren hormonellen Situation besser fahren.

Wenn die Autoren der aktuellen Studie daher den fehlenden Beleg dafür bemängeln, dass ein bestimmtes Protokoll den anderen bei low respondern überlegen ist, wage ich zu behaupten, dass es ein solches Protokoll aufgrund des oben Gesagten auch nicht geben wird, sondern immer individuell Erfordnernisse im Vordergrund stehen werden, die entsprechend berücksichtigt werden müssen.


[1] Kim CH, Howles CM, Lee HA
The effect of transdermal testosterone gel pretreatment on controlled ovarian stimulation and IVF outcome in low responders.
Fertil Steril. 2010 Aug 27

[2] Balasch J, Fábregues F, Peñarrubia J, et al. Pretreatment with transdermal testosterone may improve ovarian response to gonadotrophins in poor-responder IVF patients with normal basal concentrations of FSH. Hum Reprod. 2006 Jul;21(7):1884-93.

[3] Fábregues F, Peñarrubia J, Creus M, et al.
Transdermal testosterone may improve ovarian response to gonadotrophins in low-responder IVF patients: a randomized, clinical trial.
Hum Reprod. 2009 Feb;24(2):349-59.


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Kommentar

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15 Kommentare
  1. Sonne773
    Sonne773 schreibt

    Unsere 1. ICSI wurde "mangels Masse" abgebrochen, bei der 2. ICSI war unsere "Ausbeute" trotz enorm hoher Stimulation mit 4 Eizellen auch nicht berauschend. Heute nun war Punktion für unsere 3. ICSI, ich habe 5 Tage lang ein Testosteron-Pflaster geklebt und es wurden 9 Eizellen gefunden! Für uns ein sensationelles Ergebnis.

  2. Floribunda
    Floribunda schreibt

    Kann es sein, dass ein wichtiges Wort verloren ging? "Die beiden Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der wichtigsten Parameter" doch hoffentlich "… nicht."
    Oder zeigt das nur mein Rechner falsch?
    Aber abgesehen davon klingt das sehr interessant, werde ich wohl auch mal ausprobieren.

  3. Elmar Breitbach
    Elmar Breitbach schreibt

    @ Floribunda: Danke

  4. Kadauna
    Kadauna schreibt

    Finde ich hochinteressant. Derzeit schwanger, aber wollen noch ein Baby und da ich scheinbar trozt hoher antraler Follikelzahl (8-9 pro Eierstock) ein Low Responder bin (Hormonwerte FSH und LH ok, AMH und Inhibin B nicht untersucht), will ich das beim naechsten Mal nicht unversucht lassen. Bin derzeit schwanger aber in 1-1,5 Jahren :-))

  5. Kadauna
    Kadauna schreibt

    Ach ja, habe es sofort an meinen Arzt geschickt, er sagt, dass Thema Testosteron sei "alt" aber scheinbar wieder aufgegriffen.

  6. oldi
    oldi schreibt

    kurze Frage an Sonne773 oder wer sich sonst damit auskennt: wird Testosteron dann vor der Stimulation gegeben und während der Stimulation nicht mehr? Oder ab Stimulation bis zur Punktion? Danke!

  7. Elmar Breitbach
    Elmar Breitbach schreibt

    @ oldi: Vor der Stimulation, wie es auch im Artikel beschrieben wurde.

  8. […] der Praxis. Vor einigen Tagen schrieb ich einen Artikel in den Kinderwunsch-News, der sich mit der Testosteron-Gabe bei low respondern beschäftigte. Die dort zitierten Studien zeigten ein gutes Potential zur Verbesserung der Eizellausbeute bei […]

  9. oldi
    oldi schreibt

    zu "Die Dynamik des Internet"
    Lieber Herr Dr. Breitbach,
    das tut doch Ihren Kollegen nur gut, dass sich die Patientinnen im Internet – auch dank Ihrer Hilfe – über neue Studien etc. informieren und ihre Ärzte dazu befragen können. Sie tragen so zur Fortbildung Ihrer nicht ganz so aktiven Kollegen und unserer Chancenverbesserung bei – vielen Dank!

  10. Eli Althen
    Eli Althen schreibt

    Eine, wie ich fürchte akedemische, Frage mit der ich mich beschäftige:
    Wenn 5 Tage vor Stimubeginn an ZT 2 mit Testosteron begonnen werden soll, sollte eine Schwangerschaft definitiv ausgeschlossen sein?
    Dann müsste ein SST an ES +11 erfolgen, könnte also mithin nur ein Bluttest sein.
    Welche Wirkungen hätte denn die Testosterongabe auf eine Schwangerschaft?
    *hilfe*

  11. Elmar Breitbach
    Elmar Breitbach schreibt

    Es gibt zu diesem Thema verschiedene Protokolle. Persönlich habe ich die 14-tägige Vorbehandlung in der zweiten Hälfte des Vorzyklus mit recht gutem Erfolg getestet. Dieser Zeitraum wäre auch physiologisch der sinnvollste. Und dann wäre es sicherlich besser, wenn keine keine Schwangerschaft bestünde.

  12. Eli Althen
    Eli Althen schreibt

    Danke, Doc. Da wir "natürlich" in diesem Zyklus nicht verhütet hatten, haben wir natürlich eine 0,00000001 %ige Chance auf eine spontane Schwangerschaft 😉 14 Tage Testosteron ginge jetzt also nur noch für den Zyklus später (und dann gesichert verhüten). Hm, ich denke mal drüber nach.
    Falls wir nicht warten wollen, dann werde ich an ES+11 einen Bluttest machen, um eine Schwangerschaft definitiv ausschließen zu können.
    (Manchmal frage ich mich ja, ob Aufhören nicht doch eine gute Alternative sein könnte.)

  13. Ramona
    Ramona schreibt

    Lieber Elmar,

    1000 Dank für den tollen Tip mit dem Testosteron: Ich hab von Tag 1 bis Tag 5 der Stimulation Tostran-Gel benutzt (war zu spät dran), und hatte 6 (!) Eizellen! Das ist sehr gut für mich! Ich bin 36 und habe seit ca. 2,5 Jahren einen AMH unter 0,1. Und: Ich bin das erste Mal nach 8 Jahren KiWu schwanger!!!! Yuhu!

  14. DHEA « Grosse Klingonen

    […] WuKi Info 2: […]

  15. […] uns jetzt aber auf die Wirkung des Testosterons konzentrieren. Zuletzt 2010 hatten wir hier eine kleine Übersicht über den aktuellen Stand der Dinge mit Artikeln, die auch in der aktuellen Übersichtsarbeit wieder auftauchen. Chinesische Kollegen […]

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